© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Der Skandal, der ewig bleibt
Großbritannien: Im Fall Maddie bleiben trotz der Anklage gegen den deutschen Christian B. auch namhafte Engländer der Ansicht, die Eltern seien schuld
Josef Hämmerling

Die Festnahme des 43jährigen Deutschen Christian B. als mutmaßlicher Entführer des seit 2007 vermißten englischen Mädchens Madeleine McCann (Maddie) ist wieder mal Hauptthema in den britischen Medien.

Mehr als in Deutschland wird aber betont, daß der ermittelnde Staatsanwalt Hans Christian Wolters befürchtet, die Beweise würden für eine Verurteilung des amtsbekannten Pädophilen und verurteilten Vergewaltigers nicht ausreichen. Zwar gebe es deutliche Hinweise für die Schuld B.s, der endgültige Beweis fehle aber noch. Er persönlich, so Wolters weiter, könne auch nicht ausschließen, daß Maddie noch lebt.

Wolters hatte sich auch darüber beklagt, daß es seitens der portugiesischen Behörden in der Vergangenheit nicht die Hilfe und Zusammenarbeit gegeben habe, die wünschenswert gewesen wäre. So hatte zum Beispiel nach Berichten des britischen Telegraph der damals ermittelnde portugiesische Staatsanwalt Anfang der vergangenen Woche eine Schuld von Maddies Eltern nicht ausgeschlossen. Erst seit Ende der vergangenen Woche erklärten die Justizbehörden Portugals, angesichts der von der Braunschweiger Staatsanwaltschaft vorgelegten Unterlagen spreche alles für B. als Täter. Dennoch sei die Zusammenarbeit der portugiesischen Justiz mit seiner Behörde „schwerfällig“, so Wolters.

Sämtliche britische Medien äußerten Unverständnis hierüber. Auch darüber, daß sich die Bürger von Praia da Luz, dem Entführungsort, und Umgebung wenig erfreut über die neuen Ermittlungen zeigen, vor allem auch, daß ihre Ortschaften nun wieder von Journalisten überrannt werden. 

Auf Kritik vieler englischer Medien stößt darüber hinaus, daß sich mehrere Zeitungen und Fernsehsendungen auf der Insel, so die Financial Times, aber auch BBC und Sky News, die strikten deutschen Datenschutzregeln zu eigen machten und nicht den ganzen Namen und auch keine Bilder des Verdächtigten veröffentlichten. Die Zeitung PressGazette klagte in diesem Zusammenhang sogar über Zensur.

„Nicht auf die Berichte aus Deutschland reinfallen“

Peter Hyatt, ein konservativer, anerkannter amerikanischer Geschäftsmann und Analyst, geht aber auch weiterhin von der Schuld der Eltern Madeleines, Kate und Gerry McCann, aus. Sehr aktiv ist er in der Facebook-Gruppe „The McCann-Scandal“, auf der er die Festnahme B.s als „Öffentlichkeits-Schwindel“ bezeichnet. Hyatt schrieb: „Die britische Öffentlichkeit muß sich die Täuschungsversuche der McCanns schon viele Jahre anhören. Sie wird nicht auf die widersprüchlichen Berichte aus Deutschland reinfallen.“ Christian B. bekommt in dieser Gruppe viel Unterstützung, und es wird darauf verwiesen, daß er den Verdächtigtenzeichnungen, die direkt nach der Entführung der damals knapp vierjährigen Maddie erstellt wurden, nicht ähnlich sieht.

Die meisten britischen Medien bezichtigen B. in ihrer Berichterstattung aber, der Täter zu sein und glauben, daß trotz der mittlerweile langen vergangenen Zeit weitere Suchaktionen in Praia da Luz weitere Beweise für die Schuld des gebürtigen Würzburgers bringen werden.

So sollen den Berichten zufolge jetzt die Brunnen in der Villa, in der Christian B. seinerzeit nicht weit vom Entführungsort wohnte, untersucht werden. Gab es früher bei Fällen, in denen ein Deutscher einer schweren Tat gegenüber einem Briten bezichtigt wurde, oftmals laut geäußerte Vorbehalte oder gar Vorwürfe gegen Deutschland, so liest man heute in den britischen Medien kaum etwas davon. Zwar gibt es in den Sozialen Medien ab und zu Äußerungen wie „F***ing Kraut“ oder „What can you expect from a German“, doch bilden diese die absolute Ausnahme. Vielmehr wird oft gelobt, daß die deutsche Justiz selbst nach so langer Zeit die Suche nach Maddies Mörder niemals aufgegeben hat.