© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Kuba in die Knie zwingen
Neue US-Sanktionen gegen den sozialistischen Erbfeind vor der Küste: Trump ermöglicht enteigneten Firmen, vor US-Gerichten auf Entschädigung zu klagen
Paul Leonhard

Es war der erste legale kubanische Handelsexport nach mehr als 50 Jahren. Vierzig Tonnen hochwertige Holzkohle sind im Januar 2017 auf dem Weg in die USA. Die Lieferung ist nicht nur das Resultat der mühseligen Arbeit einer kleinbäuerlichen Genossenschaft, die brachliegende Felder vom Farbkätzchenstrauch befreit hatte, sondern mehr noch das von schwierigen Verhandlungen auf Initiative des Vatikans, in denen sich die USA und Kuba vorsichtig annäherten.

Als die Holzkohle in Port Everglades in Südwestflorida eintrifft, hat aber wenige Tage zuvor Donald Trump das Präsidentenamt übernommen. Es folgt ein erneuter radikaler Schwenk in der unter Barack Obama, Präsident von 2009 bis 2017, gelockerten Blockadepolitik gegenüber der sozialistischen Inselrepublik.

Trump beendet das Tauwetter und läßt die Hoffnungen der greisen Generale in Havanna auf einen sanften Übergang in eine nachsozialistische Zeit ebenso platzen wie die Träume des kubanischen Volkes auf sprudelnde US-Investitionen. Seitdem herrscht wieder eine Eiszeit. Zum ersten Mal seit Verkündung des Embargos gegen Kuba 1960 ist es einem US-Präsidenten bitter­ernst mit der Blockade. Um das kubanische Regime „für die Unterdrückung der Menschen Kubas und die Unterstützung anderer Diktaturen in der Region“ zur Rechenschaft zu ziehen, legt sich Trump auch mit der Europäischen Union an.

Trumps Kampf gegen die „Troika der Tyrannei“

Wer in den USA Geschäfte macht, aber zugleich mit Kuba handelt, wird bestraft. Das ist die Kernaussage des 1996 beschlossenen Helms-Burton-Acts, dem „Blockade-Gesetz“, das Washington im Kampf gegen das sozialistische Kuba beschlossen hat und das seither vom jeweils agierenden US-Präsidenten durch Verfügungen mal gelockert, mal verschärft wird.

Die größten Lockerungen in den 60jährigen Handelsbeschränkungen gab es unter Präsident Obama, die 2015 zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten führten. Sein Nachfolger Donald Trump schränkte ein wie noch keiner vor ihm. Als erstes kassierte Trump alle Erleichterungen aus der Obama-Zeit.

Viele waren es ohnehin nicht, da die meisten Embargobestimmungen nur vom Kongreß aufgehoben werden können. Immerhin gab es Reiseerleichterungen. Auch konnten US-Bürger mehr Geld nach Kuba überweisen. US-Fluggesellschaften durften kubanische Flughäfen ansteuern, die Post wurde wieder direkt geliefert. Vor allem war aber Kuba erlaubt worden, Finanztransaktionen über das US-Bankensystem vorzunehmen.

In seinem Kampf gegen die „Troika der Tyrannei“ – Kuba, Venezuela und Nicaragua – verschärft Trump das Embargo nun. Der Kreuzfahrttourismus wird verboten und Überweisungen von Exilkubanern auf 1.000 Dollar pro Person und Trimester beschränkt. Was einen harten Schlag für deren Familien und den Staat darstellt. Nach Schätzungen sind die privaten Überweisungen aus den USA von drei Milliarden Dollar 2016 auf rund 3,5 Milliarden 2017 und schließlich sechs Milliarden 2019 hochgeschnellt. Dazu dürften noch Milliarden Euro kommen, die in Europa lebende Familienangehörige alljährlich nach Kuba überweisen.

Western Union, Paypal – überweisen nicht möglich

Privatüberweisungen sind nach dem Export von medizinischen Dienstleistungen und dem Tourismus die drei wichtigsten Einnahmequellen Kubas. Alle drei drohen aktuell völlig auszutrocknen. Auf Druck der USA haben Staaten wie Brasilien, Bolivien, Ecuador und El Salvador die kubanischen Mediziner zurückgeschickt.

Noch gravierender ist, daß Trump als erster US-Präsident seit Mai 2019 juristische Klagen auf der Grundlage des Helms-Burton-Gesetzes ermöglicht. Damit können seit 1959 enteignete Personen oder Unternehmen vor US-Gerichten gegen kubanische, nordamerikanische und Drittstaatenangehörige auf Entschädigung klagen.

Prompt prozessiert Exxon Mobil gegen die kubanischen Unternehmen Cimex und Unión Cuba Petróleo (Cupet), die zusammen mehr als 600 Tankstellen betreiben, auf 280 Millionen US-Dollar Entschädigung für die Enteignung der Raffinerie Belot 1960. Die deutsche Trivago GmbH wurde verklagt, weil sie kubanische Hotels nutzt.

„Alle deutschen Gesellschaften, die derzeit Häfen, Flugplätze oder Hotels etc. in Kuba benutzen, müssen damit rechnen, daß sie von den vorherigen rechtmäßigen Eigentümern dieser Einrichtungen auf Entschädigung für die Enteignung von vor 60 (!) Jahren verklagt werden“, warnt der Rechtsanwalt Harald Hohmann. Aktuell sind in den USA rund 6.000 Fälle registriert.

Sollten europäische Unternehmen verurteilt werden, dürfte das Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den USA und der EU haben. Europäische Firmen hätten das Recht, erlittenen Schaden vor EU-Gerichten kompensieren zu lassen, heißt es in einem Brief der EU an US-Außenminister Mike Pompeo. Die Drohung: Jeder Klage an einem US-Gericht folge eine Gegenklage vor EU-Gerichten. US-Besitz, auch Firmenbeteiligungen, würde dann beschlagnahmt und verkauft. Grundlage ist eine 1996 verabschiedete Verordnung, die die Gültigkeit von US-Sanktionen in Europa annulliert.

Bisher hat die EU wenig unternommen, um Firmen zu schützen. Brüssel sah schweigend zu, als die Commerzbank 2015 eine Geldbuße von 1,74 Milliarden Dollar wegen Verstoßes gegen die Sanktionen an das US-Finanzministerium zahlte. Die französischen Banken BNP Paribas (2014) und Société Générale (2018) überwiesen 8,9 beziehungsweise 1,34 Milliarden Dollar. Die italienische Bank UniCredit Group wurde 2019 zur Zahlung von 1,3 Milliarden Dollar verurteilt. Als letztes Geldinstitut der Schweiz hat die staatliche Postfinance den Zahlungsverkehr mit Kuba auf Druck der US-Regierung eingestellt.

Derzeit wirft das US-Finanzministerium der Allianz Global Risks U.S. Insurance Company in Chicago, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der deutschen Allianz AG, exakt 6.474 „offensichtliche Verstöße“ gegen das Kuba-Embargo vor: weil eine Zweigniederlassung in Toronto zwischen 2010 und 2015 kanadische Kuba-Besucher versichert hat. Die Allianz soll rund 171.000 Dollar zahlen, das Schweizer Versicherungsunternehmen Chubb Limited (ACE) 66.212 Dollar.

Gleichzeitig setzen die USA Reedereien unter Druck, die Öl aus Venezuela nach Kuba liefern. Da sich die meisten Reedereien den Drohungen aus Washington beugten, kam es 2019 zu gravierenden Engpässen bei der Kraftstoffversorgung auf Kuba, die wiederum dazu führten, daß Waren nicht über das Land verteilt werden konnten und Fabriken schlossen.

„Sie wollen uns das Wasser, den Strom bis hin zur Luft, die wir atmen, abschnüren“, zitiert die kommunistische Parteizeitung Granma Kubas Präsidenten Miguel Díaz-Canel. Daß es genau darum geht, bestätigt Trumps Ex-Sicherheitsberater John Bolton: „Wir müssen alle die Kräfte des Kommunismus und Sozialismus in dieser Hemisphäre und in unserem Land zurückdrängen.“

Rußland und China investieren wieder verstärkt

Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie sah es so aus, als erreichten die USA genau das Gegenteil. Rußland und China, nach der EU die beiden wichtigsten Handelspartner, investieren wieder mehr auf Kuba. Hinzugekommen sind Algerien, Mexiko und der Iran.

Seit Kuba Ende März die Grenzen geschlossen hat und damit der Tourismus komplett zum Erliegen kam, folgen fast wöchentlich neue Restriktionen seitens der USA. Im Mittelpunkt stehen Finanzdienstleistungen. Der Regierung in Havanna soll der Zugang zu Devisen versperrt werden. So sind Geldüberweisungen mit Western Union seit 12. Juni nicht mehr möglich. Der Online-Bezahldienst Paypal setzt das US-Embargo sogar weltweit um und verweigert Überweisungen, in denen auch nur das Wort „Cuba“ vorkommt.

Trump hatte 2017 versprochen, bestehende US-Geschäftskontakte mit Kuba nicht zu unterbrechen. Aktuell sorgte er dafür, daß Mariott International die 2016 erteilte Sonderlizenz für das Betreiben des Vier-Sterne-Hotels Sheraton in Havanna nicht verlängert wurde. Das Tourismusunternehmen ist aufgefordert, bis 31. August Kuba zu verlassen.

„Unsere touristischen Aktivitäten, unsere internationalen Finanzoperationen und die Überweisung von Familienhilfen aus dem Ausland“ würden angegriffen, „um die Volkswirtschaft zu ersticken“, klagt Kubas Präsident. Das Volk müsse leiden, damit sich Trump im aktuellen Wahlkampf „bei Floridas anti-kubanischen extremistischen Gruppen einschmeicheln“ könne, unkte das führende Politbüro-Mitglied der KP Kubas. Exilkubaner wählen besonders häufig die US-Republikaner. Das Land werde sich aber von „den Aggressionen Washingtons nicht unterkriegen lassen“, so Díaz-Canel: „In Kuba entscheiden wir Kubaner.“





Handelsbeziehungen zwischen den USA und Kuba

1959: Die kommunistische Regierung unter Fidel Castro beschließt ein Agrarreformgesetz und enteignet den meist in US-Besitz befindlichen Großgrundbesitz und die Zuckerindustrie, wie in der 1940er Verfassung geplant. 1960: USA beenden Öllieferungen nach Kuba. Raffinerien weigern sich, stattdessen sowjetisches Öl zu verarbeiten. Kuba enteignet US-Betriebe im Wert von rund einer Milliarde Dollar. 1961: USA brechen Beziehungen ab. 1962: Präsident John F. Kennedy verschärft die Embargobestimmungen. 1963: Reisebeschränkungen für US-Bürger. Kapital in den USA wird eingefroren. 1977: Unter Präsident Jimmy Carter enden Beschränkungen der Reisefreiheit und für Geldsendungen. 1982: Präsident Ronald Reagan erneuert Handelsembargo. 1992: Embargo wird als „Torricelli Act“ Gesetz, dessen Ziel es ist, „dem kubanischen Volk zu Demokratie zu verhelfen“. 1996: US-Kongreß verabschiedet den „Helms-Burton Act“, der US-Bürger einschränkt, mit Kuba Geschäfte zu treiben. 1999: Präsident Bill Clinton zwingt ausländische Töchter von US-Firmen, den Handel mit Kuba einzustellen. 2001: Castro erlaubt nach Hurrikan Import von US-Nahrungsmitteln. 2003: Senat beschließt Aufhebung der Reisebeschränkungen. Veto von Präsident George W. Bush. 2015: Präsident Barack Obama lockert Handels- und Reisebeschränkungen und nimmt diplomatische Beziehungen auf. 2016: Finanztransaktionen erlaubt. 2017: Erster kubanischer Handelsexport in die USA. 2019: Präsident Donald Trump nimmt Großteil der Handelserleichterungen zurück und unterzeichnet den „Helms-Burton Act“. Dieser ermöglicht US-Bürgern, ausländische Firmen vor US-Gerichten wegen der Nutzung von enteignetem Eigentum zu verklagen. (pl)