© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/20 / 26. Juni 2020

Der Flaneur
Kicken auf Trümmern
Gil Barkei

Einer der metallischen Eckpfeiler und das gespannte Maschendrahtnetz des typischen Berliner Fußballkäfigs sind völlig zerstört und ragen abgeknickt auf den grauen Schotterplatz und ins verwilderte Gebüsch des angrenzenden kleinen Spielplatzes. Obwohl von diesem eh nur noch eine einsame mit Stickern zugeklebte Schaukel und eine alte Bank übriggeblieben sind.

Die einstigen Wippen und bunten Kletterhäuschen wurden schon vor Jahren abgebaut. In dem Sandkasten, in dem das Unkraut wuchert, liegt Müll verstreut. Ob der von den abends hier oft kiffenden oder Shisharauchenden Jugendlichen hinterlassen oder von den Krähen aus dem Mülleimer gefischt wurde, ist nicht ersichtlich. Der kleine Fußballplatz war das letzte Relikt, das die Kinder der Umgebung noch zum Spielen eingeladen hatte. 

Die Corona-Auszeit wurde nicht genutzt, um den Fußballplatz zu reparieren.

Doch dann vor gut einem halben Jahr der „ohrenbetäubende Krach, wenn Eisen aufeinanderprallt“, wie es ein Anwohner schildert: Nachts war ein aufgetunter Mercedes erst über den Gehweg und die traurigen Spielplatzreste und dann in den Fußballkäfig gerast. „Wahrscheinlich so ein Wettrennen: der ist in der Kurve von der Straße abgekommen. Zum Glück war um die Uhrzeit da niemand unterwegs.“ 

Seitdem – seit über sechs Monaten – ist der Fußballplatz nun geschlossen, liegen die Trümmer herum. Eine Reparatur, die höchstens eine Woche dauern würde? Fehlanzeige! Als rot-rot-grüner Berliner Senat muß man eben andere Prioritäten setzen. Damit das nicht zu sehr auffällt, konnte man das Areal in der Corona-Krise praktischerweise offiziell wie alle Spielplätze zur Virusabwehr absperren. 

Genutzt zur Wiederherstellung wurde die Auszeit natürlich nicht. Die Jungs aus der Gegend haben die rot-weißen Absperrbänder und Drahtgitter ohnehin längst zerrissen und beiseite geschoben. Sie nutzen einfach den unversehrten Rest des Bolzplatzes zum Kicken. Wer will es ihnen verübeln: Auf die Vorgaben dieser Regierung kann man pfeifen.