© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Schuld ohne Täter
Berateraffäre: Der Untersuchungsausschuß endet enttäuschend / Mißstände belegt
Peter Möller

Darin zumindest sind sich alle einig: Im Verteidigungsministerium ist während der Amtszeit von Ursula von der Leyen (CDU) nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Dieses Ergebnis steht am Ende der Arbeit des Verteidigungsausschusses des Bundestages, der sich Anfang vergangenen Jahres als Untersuchungsausschuß konstituiert hatte, um die sogenannte Berateraffäre im Verteidigungsministerium (JF 4/19) aufzuklären.

Dabei geht es um den durch von der Leyen veranlaßten Einsatz externer Unternehmensberater im Ministerium, die für ihre Arbeit über Jahre hinweg einen dreistelligen Millionenbetrag erhalten haben. Ins Rollen gebracht hatte die Affäre 2018 der Bundesrechnungshof. Zwei Jahre lang hatten dessen Prüfer 56 Verträge mit einem Umfang von 93 Millionen Euro unter die Lupe genommen und zahlreiche Unstimmigkeiten festgestellt, unter anderem war der Verdacht der Vetternwirtschaft und persönlichen Vorteilsnahme bei der Vergabe von Aufträgen aufgekommen.

Der Ausschuß sollte klären, ob es bei der Vergabe von externen Beratungsleistungen zu Rechts- oder Regelverstößen gekommen ist und falls ja, was die Ursachen hierfür waren und wer die Verantwortung trägt. Nachdem 41 Zeugen angehört sowie rund 4.600 Aktenordner aus der Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums von den Abgeordneten gesichtet worden sind, liegen nun die Abschlußberichte vor.

Bereits Anfang des Monats hatten CDU/CSU und SPD ihre Sicht der Dinge zu Papier gebracht und waren zu dem Schluß gekommen, daß von der Leyen keine politische Verantwortung für die teilweise rechtswidrigen Vorgänge trage. Die Ministerin habe „kaum eine Entscheidungsvorlage zu den untersuchten Vorgängen selbst gezeichnet“. Zwar sei ihr Büro stets in Kenntnis gesetzt worden, heißt es weiter, „die Entscheidungen selbst wurden aber häufig auf Ebene der Staatssekretäre getroffen“. 

Damit folgt die Große Koalition der Strategie, mit der sich von der Leyen bei ihrer Befragung vor dem Ausschuß Mitte Februar verteidigt hatte: Es seien zwar Fehler passiert, aber auf den Ebenen unter der Ministerin. Daß bei der Vergabe von Beraterverträgen einiges im argen lag und beispielsweise externe Berater sogar unter E-Mail-Adressen und Briefköpfen des Ministeriums Geschäfte machen konnten, bestreiten die Regierungsparteien indes nicht.

„Faktisch komplett versagt“ 

Zu einem anderen Schluß kommen dagegen die Oppositionsparteien. Während FDP, Grüne und Linkspartei ein gemeinsames Papier vorlegten, präsentierte die AfD-Fraktion mit ihrem verteidigungspolitischen Sprecher Rüdiger Lucassen eine eigene Einschätzung. Gemeinsam ist den beiden Papieren, daß die Opposition anders als Union und SPD die ehemalige Verteidigungsministerin nicht aus der Verantwortung entläßt.

Zwar habe es nach Auffassung von FDP, Grünen und Linkspartei einen großen Bedarf für IT-Beratung bei der Bundeswehr gegeben, aber ein verläßliches Kontrollsystem für die zunehmenden Firmenaufträge sei zu keiner Zeit installiert worden. Daher sei „das faktische Komplettversagen“ des Ministeriums im Umgang mit Beratung und Unterstützung „nicht nur ein Problem der Arbeitsebene, sondern auch von der Leyen zuzurechnen“. Die drei Parteien werfen der Spitze des Ministeriums zudem einen „bedenklichen Führungsstil“ vor.

Aufkommende Zweifel am Beratersystem im Bendlerblock seien systematisch kleingeredet worden. „Die Spitze des Hauses kann nicht aus der Verantwortung genommen werden mit der Begründung, nichts von den Vorgängen gewußt zu haben. Vielmehr ist dann die Frage zu stellen, ob die ehemalige Ministerin Ursula von der Leyen und ihre ehemalige Staatssekretärin Katrin Suder Kenntnis von den Vorgängen hätten haben können, wenn nicht sogar aufgrund sowohl ihrer Dienststellung als auch ihrer Rolle als Impulsgeberinnen für den vermehrten Einsatz von Externen hätten haben müssen“, heißt es in dem Papier. 

Die AfD geht in ihrer Bewertung noch einen Schritt weiter. Ihrer Ansicht nach war von der Leyen als fachfremde Politikerin, die „zuvor keine persönlichen Verbindungen zur Bundeswehr hatte“, von Anfang an eine Fehlbesetzung. Erschwerend hinzu kommt aus Sicht der größten Oppositionspartei, daß von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit sämtliche Staatssekretäre durch ebenfalls weitgehend fachfremdes Personal ersetzt habe. Dadurch habe das Verteidigungsministerium erstmals in seiner Geschichte eine zivile Spitze ohne ausgewiesene Verteidigungsfachleute erhalten.

„Die ehemalige Ministerin von der Leyen hat aber nicht nur politisch, sondern auch rechtlich in der von ihr im Rahmen der Organisationsgewalt zu leistenden Kontrollfunktion versagt“, lautet das Fazit der AfD. Der Untersuchungsausschuß habe gezeigt, „welch zerstörerischer Kulturwandel mit Ursula von der Leyen ins Verteidigungsministerium einzog“, resümiert Lucassen. Er beklagt vor allem den „Ausverkauf hoheitlicher Aufgaben“. Dies seien „das unheilvolle Erbe und die politische Verantwortung der heutigen Kommissionspräsidentin“, sagte Lucassen der JUNGEN FREIHEIT.

Auch wenn durch den Ausschuß viele Details der Berateraffäre aufgeklärt werden konnten, bleibt bei vielen Abgeordneten ein schaler Beigeschmack zurück. Denn die Hauptverantwortlichen müssen keine persönlichen Konsequenzen fürchten. So ist etwa die ehemalige Staatssekretärin und Vertraute von der Leyens, Katrin Suder, nach ihrem freiwilligen Abschied aus dem Verteidigungsministerium 2018 zur Vorsitzenden des Digitalrats der Bundesregierung ernannt worden. Zuvor hatte ihr von der Leyen das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold verliehen. „Der Untersuchungsausschuß selbst ist ein stumpfes Schwert“, so Verteidigungsexperte Lucassen desillusioniert. „Er wirkt wie ein Gericht, ist in Wahrheit aber eher ein Gremium zur Dokumentation eines Skandals. Die Beschuldigten sind heute entweder befördert, auf gut dotierten Posten, in der freien Wirtschaft oder in Rente.“