© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Über die derzeitige Wirtschaftsordnung neu nachdenken
Wohnungsfrage und Systemversagen
(dg)

Ausgerechnet am 30. Januar 2020 beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus das drei Wochen später in Kraft getretene „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“, kurz „Mietendeckel“ genannt. Für die ehemalige Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel, heute Rechtsanwältin in Berlin, ist dieses von Friedrich Straetmanns und Halina Wawzyniak, Rechtspolitikern der Linken-Fraktion im Bundestag, als „rechtlich zulässig und politisch geboten“ gerühmte Gesetz (Recht und Politik, 1/2020) jedoch nur eine Art Enteignung light und Vorspiel für größere gesellschaftliche Umwälzungen, die vom Berliner Volksbegehren „Deutsche Wohnen enteignen“ ausgelöst werden sollten. Es fordert die Vergesellschaftung der Bestände aller privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit über 3.000 Wohnungen im Land Berlin. Ausgenommen sind nur Unternehmen im öffentlichen Eigentum, kommunale Wohnungsbaugesellschaften sowie der kollektive Besitz von Mietergemeinschaften. Da finanzmarktorientierte Immobilienkonzerne mit über 3.000 Wohnungen bereits ein Achtel des Berliner Wohnungsbestands kontrollieren, gefährdeten sie den sozialen Frieden und letztlich die Stabilität des demokratischen Staates. Gerade mit der Wohnungsfrage, wo es um elementare menschliche Bedürfnisse gehe und wo sich „die kapitalistische Verwertungslogik besonders Bahn gebrochen“ habe, stelle sich daher die Eigentums- und Systemfrage neu. Das Volksbegehren sei mithin als Impuls zu nutzen, um über die „grundsätzliche Verfaßtheit der derzeitigen Wirtschafts- und Sozialordnung“ rechtspolitisch zu diskutieren (Kritische Justiz, 1/2020). 


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