© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Selbstverständlich sollten wir den Allahu-Akhbar-Rufen der Stuttgarter Schläger mit Migrationserfahrung sowenig Bedeutung beimessen wie dem wutverzerrten „Ihr werdet alle vor uns Schwarzen knien!“, das eine Demonstrantin afrikanischer Herkunft den Polizisten in Paris entgegenschleuderte, oder dem Tweet „White Lives Don’t Matter“ einer Dozentin der Universität Cambridge (sie wurde zwischenzeitlich zur Professorin gemacht), deren Vorfahren es aus Indien nach Großbritannien verschlagen hat, wo die Weißen ihrer Meinung nach nun „abgeschafft“ gehören.

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Seit einiger Zeit wird über den „Tod der Geisteswissenschaften“ gesprochen. Die Diskussion hat sich unter dem Eindruck der Corona-Krise und wegen der Widrigkeiten virtueller Lehre noch einmal intensiviert. Allerdings umgeht man die tieferen Ursachen des Niedergangs von Germanistik, diversen Philologien, Philosophie, Geschichte etc.: die Absenkung der Maßstäbe seit den 1970er Jahren, die Ideologisierung der Hochschulen einerseits, deren Ökonomisierung andererseits, die Anfälligkeit für Moden und methodische oder pädagogische Mätzchen. Vor allem aber beschweigt man, daß dieser „Tod“ ein Selbstmord auf Raten ist, verübt von den Vertretern der Geisteswissenschaften, die zu feige, zu opportunistisch oder schlicht zu träge waren und sind, um einen Bestand zu verteidigen, der in vieler Hinsicht das Fundament unserer Kultur bildet.

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„Wer nichts weiß, muß alles glauben.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)

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„Meine Vorfahren haben die Raubzüge im Mittelmeer und die Behandlung durch die muslimischen Araber fünfzehn Jahrhunderte lang erlebt. Habe ich auch ein Recht auf Wiedergutmachung?“ (Marion Maréchal)

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„Man wird die Höhle von Lascaux nicht einreißen mit der Begründung, daß die Männer dort vielleicht ihren Frauen eine Ohrfeige verpaßt haben.“ (Michel Onfray)

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Saira Rao, von ihrer Herkunft Inderin, und Regina Jackson, eine schwarze US-Bürgerin, haben ein besonderes Geschäftsmodell entwickelt: Sie bieten weißen Frauen ein gemeinsames Dinner an. Das Tischgespräch, erklären sie in aller Offenheit, werde sich allerdings nur um die Schuld der Gäste drehen, als „Komplizen des weißen Suprematismus und der Unterdrückung farbiger Frauen“. Die Gebühr für dieses Vergnügen der besonderen Art liegt bei 2.500 Dollar. Saira Rao ist auch bekannt dafür, daß sie – als Aktivistin der Demokraten – Nancy Pelosi, die Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus, regelmäßig als Vertreterin des „weißen Feminismus“ und mithin des „weißen Suprematismus“ entlarvt.

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Barbara Oteng-Gyasi, Tourismus-Ministerin der Republik Ghana, hat alle Afroamerikaner aufgefordert, in ihr Land zu übersiedeln. Bei einer Veranstaltung zu Ehren von George Floyd äußerte sie: „Nutzt die Gelegenheit, kehrt heim, baut ein Leben in Ghana auf. Ihr müßt nicht dort bleiben, wo ihr niemals willkommen sein werdet. Ihr habt die Wahl, Afrika wartet auf euch. Afrika ist eure Heimat.“ Bereits 2019 hatte die Regierung Ghanas zum „Jahr der Rückkehr“ für die weltweite schwarze Diaspora erklärt.

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Beim Wiedersehen von „Der Mann, der zuviel wußte“ (1956, Regie: Alfred Hitchcock, Hauptrollen: James Stewart und Doris Day) fällt nicht nur das langsame Erzähltempo auf, das Ungelenke der Actionszenen, die Schamhaftigkeit der Gewalttaten, die Unwahrscheinlichkeit des Handlungsablaufs, die Biederkeit der Figuren, sondern auch die Menge der Indizien für den Kulturwandel, der bevorsteht. Zwar ist der Abstand zwischen (westlicher) Zivilisation und (nordafrikanischer) Barbarei noch selbstverständlich, das Selbstbewußtsein intakt, nennt der Ehemann „Ben“ die Ehefrau „Jo“ regelmäßig „Kindchen“, ist er der ruhende Pol und sie – stets wie aus dem Ei gepellt – verhalten hysterisch. Aber dann gibt es die Szene, in der er sich ungeschickt mit dem Zerreißen eines Fladenbrotes abmüht, während ihre ängstlich-kichernde Frage lautet „Macht das dick?“ Und dann gibt es den Sohn, der nicht einfach ein Lausebengel ist, sondern ein vorlauter, manchmal etwas weinerlicher und insbesondere aufsässiger Knirps. Trotzdem wird alles, was er tut oder äußert, von den Eltern mit Wohlwollen quittiert; offenbar eine Frühform positiver Verstärkung. Der heutige Betrachter ahnt, worauf das hinausläuft.

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In Saint-Denis, einer Vorstadt von Paris, sind die beliebtesten Vornamen neugeborener Jungen: Mohamed, Adam, Ibrahim, Rayan, Ismael, Noah, Amir, Imran, Ali, Liam, Gabriel, Issa, Yanis, Ayoub, Kais, Enzo, Lucas, Moussa, Isaac, Hamza. Bei den Mädchen wurden bevorzugt: Lina, Aya, Yasmine, Sofia, Inaya, Sarah, Nour, Assia, Emma, Maryam, Jade, Fatoumata, Inés, Mariam, Manel, Amina, Chloé, Léa, Ines, Alicia.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 17. Juli in der JF-Ausgabe 30-31/20.