© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Die Bundeswehr hat ein Problem: strukturelles Mißtrauen
Sie dienen General Verdacht
Jan Hoffmann

Die Bundeswehr muß sich immer wieder des Vorwurfes erwehren, Rechtsextremisten in ihren Reihen zu haben und diese nicht konsequent zu verfolgen. Dabei scheint aktuell die Möglichkeit, dies am Beispiel der „geheimnisumwitterten“ Spezialkräfte der Bundeswehr durchzuexerzieren, Journalisten und Politiker besonders anzuspornen. Unter ihnen auch solche, die selber die Bundeswehr, ihren verfassungsrechtlichen Auftrag und die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ablehnen.

Die Bundeswehr hat jüngst ihren ersten eigenen Extremismusbericht veröffentlicht. Darin wurden elf islamistische, 69 linksextremistische und 592 rechtsextremistische Verdächtige benannt. 52 Verdächtigen wurde Extremismus oder – noch unspezifischer – fehlende Verfassungstreue attestiert. 26 wurden nach dem Disziplinarrecht – nicht Strafrecht – entlassen.

Das Bundeskabinett beschloß nun, die Wehrdisziplinarordnung zu verschärfen, um mehr Extremisten, aber auch Straftäter aus dem Dienstverhältnis entfernen zu können und Truppendienstgerichte dadurch zu entlasten, daß die militärischen Vorgesetzten bei „unbotmäßigem Verhalten“ höhere Geldstrafen verhängen können. Damit sollen zu lange Disziplinarverfahren vermieden werden, die bis zum Abschluß automatisch den Ausschluß von Lehrgängen oder Beförderungen bedeuten.

Dabei kann eine verzögerte Beförderung praktisch einer Geldbuße entsprechen, wenn der Verdacht unbegründet war. Aber auch Lehrgänge können nicht immer sofort – manche gar nicht mehr nachgeholt werden, was gravierende Auswirkungen auf den gesamten weiteren Werdegang haben kann. Doch während 2018 in Deutschland 65 Straftatverdächtige endgültig aus der Haft entlassen wurden, weil ihre Verfahren eine festgelegte Frist überschritten hatten, scheint man sich in der Bundeswehr diesem Anspruch des Rechtsstaates, aber auch der Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten nicht stellen zu wollen.

Ministerin von der Leyen beabsichtigte einst, Disziplinarbefugnisse von den militärischen Vorgesetzten wegzunehmen, da diese sie wegen „mangelnder Haltung“ nicht konsequent anwendeten. Ihr Verständnis von Haltung wurde bei der Überprüfung sämtlicher Kasernen der Bundeswehr auf – nicht per se verbotene – Wehrmachtsbezüge deutlich, die auch zu unrechtmäßigen Durchsuchungen führte. Nun findet geradezu eine Umkehr zu mehr Verantwortung der Vorgesetzten statt.

Doch in welchem Umfeld bewegen sich Staatsbürger in Uniform, die sich extremistischen Ansichten zuwenden? Vor dem Eintritt ist es die zivile Gesellschaft, die ihren Einfluß ausübt. Maßgeblich Schule und Elternhaus. Wer sich hier bereits radikalisiert hat, tritt in die Bundeswehr ein, um sie für seine Zwecke zu nutzen oder sie zu zersetzen. Davor ist die Bundeswehr zu schützen, und zwar von allen staatlichen Behörden und gerade von den politisch Verantwortlichen. Doch Islamisten und Links- wie Rechtsextreme schreckt das Disziplinarrecht nicht ab. Vielmehr können sie es für ihre Zwecke nutzen, um durch falsche Beschuldigungen Unruhe und Mißtrauen in der Truppe zu säen oder sie öffentlich in Verruf zu bringen. Manche Kompanie war schon durch großangelegte Ermittlungen, die durch die Offiziere zu leisten sind, nahezu gelähmt.

Bis auf die Alternative für Deutschland und die PDS-Nachfolge­partei Die Linke waren alle im Bundestag vertretenen Parteien seit 1990 in Regierungs­verantwortung und haben den derzeitigen Zustand der Bundeswehr verschuldet. 

Mit besonderem Blick auf rechtsextremistische Ansichten ist zu betrachten, welche Erfahrungen als Soldat dazu führen könnten, sich diesen Ansichten zu öffnen. Die Soldaten der Bundeswehr schwören, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Dieser Eid verpflichtet zu einer besonderen Treuepflicht. Der Dienstherr muß dies auch mit Geldstrafen, Arrest oder Entlassung aus dem Dienst durchsetzen können. Es geht dabei um die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Diese besondere Treuepflicht gilt sowohl im Dienst als auch außerhalb dessen. Damit kann auch das private Verhalten unter besonderer Beobachtung eines „Arbeitgebers“ geraten, der einen eigenen Geheimdienst hat. Um so wichtiger ist es, daß die Vertreter des deutschen Volkes in Parlament und Regierung als Vorbild dienen können. Der Fisch fängt am Kopfe an zu stinken, formulierte es General Schneiderhan als Generalinspekteur der „Armee des Parlamentes“ in einer ähnlichen Lage.

Im Bundestag sitzt Die Linke als Erbin der SED, die ihre Diktatur auch mit hetzerischer Propaganda über die Bundeswehr als „kriegslüstern-faschistische“ Bedrohung des Friedens sicherte. Sie wird bis heute durch ihre mehrere tausend Mitglieder umfassenden Untergruppen im Verfassungsschutzbericht fortlaufend als linksextremistisch eingestuft. Bei ihr ist unter Gelächter von Erschießungen und Zwangsarbeit die Rede, und mit ihr koalieren seit Jahren die SPD und die Grünen. Seit kurzem findet sie in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern Unterstützung durch die CDU, die damit gegen eigene Beschlüsse verstößt.

Die Grünen sind in und aus ihrer Geschichte mit dem Linksextremismus verknüpft, forderten den Austritt aus der Nato und die Auflösung der Bundeswehr. 1999 beschlossen sie in Regierungsverantwortung mit der SPD den ersten Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg – auf umstrittener, wenn nicht gar völlig fehlender völkerrechtlicher Grundlage. Mit der SPD verhindern sie seit Jahren die Beschaffung bewaffneter Drohnen und nehmen damit bewußt in Kauf, daß deutsche Soldaten diese Waffen nicht aus sicherer Entfernung steuern, sondern nach wie vor mit Kampfflugzeugen in die Luft aufsteigen und somit dem Risiko von Absturz, Abschuß, Tod und Gefangennahme zum Beispiel durch islamische Extremisten ausgesetzt sind.

Bis auf AfD und PDS/Die Linke waren alle im Bundestag vertretenen Parteien seit 1990 in Regierungsverantwortung und haben den derzeitigen Zustand der Bundeswehr zu verantworten. Daß einige dieser Parteien die Bundeswehr aktiv daran behindern, ihren grundgesetzlichen Auftrag in den Schulen zu vermitteln, ist wohl kaum als Schutz der jungen Menschen vor diesen Zuständen gedacht.

Ähnliche Erscheinungen gibt es auch in anderen europäischen Staaten. Doch durch Paris paradieren die Streitkräfte am 14. Juli. In Oslo oder Den Haag bewachen sie den Sitz der Monarchen, die sich in Uniform zeigen, während Wachablösungen als Touristenattraktionen zelebriert werden. In der Bundesrepublik Deutschland ist floskelhaftes Bekenntnis wechselnder Funktionsträger beim öffentlichen Gelöbnis am 20. Juli zur Bundeswehr das höchste der Gefühle. Denn man zeigt auch hier lieber innenpolitische Haltung „gegen Rechts“, als sich zu den Streitkräften, ihrem militärischen Auftrag und den möglichen drastischen Folgen dieses Dienstes zu bekennen.

Aber was sollen die Soldaten von ihrem Eid auf das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes halten, wenn die Bundeskanzlerin, die im Spannungsfall das Kommando übernimmt, statt vom deutschen Volk von „Menschen, die hier schon länger leben“, spricht, während sich massenhaft illegale Übertritte über deutsche Grenzen ereignen? Auch Verbalextremismus à la „Volkstod durch Analverkehr“ bis zu „Deutschland verrecke!“, mit dem Linke, Grüne oder auch Jusos in Verbindung zu bringen sind, trägt sicher nicht dazu bei, daß sie sich in ihrem Eid bestärkt fühlen.

Wer Landesverteidigungsszenarien für unmöglich hält, sollte sich fragen, wie wahrscheinlich es in der Vergangenheit schien, daß Bundeswehrsoldaten in Afghanistan fallen oder sich Polizisten zum G20-Gipfel nicht in die Hamburger Innenstadt trauen. 

Wer dazu die Frage für verdächtig hält, ab wann und wogegen die deutschen Grenzen geschützt und damit auch das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigt werden, sollte sich über hybride Kriegführung informieren und gedanklich den „Grünen Männchen“ auf der Krim von 2014 bunte Zivilkleidung anziehen. Wer dieses oder andere Landesverteidigungsszenarien für unmöglich hält, während sich Australien gegen massive Hacker-angriffe eines „höchstwahrscheinlich staatlichen Akteurs“ (Scott Morrison) verteidigt – den die Mehrheit der Experten als das kommunistische China benennt – ,sollte sich fragen, wie hoch man zum Beispiel 1990 die Möglichkeit einschätzte, daß die deutsche Luftwaffe auf serbische Truppen Raketen abschießt oder Bundeswehrsoldaten in Afghanistan fallen oder die Polizei sich nicht in brennende Hamburger Straßen traut, während die Staatsoberhäupter der G20-Staaten dort tagen.

Der CDU-Politiker Friedrich Merz warnte seine Partei davor, daß die AfD derzeit bei Polizei und Bundeswehr stark gewinne. Bei den Soldaten komme die Politik der Mehrheit des Bundestages und speziell der SPD schlecht an. Letztere ersetzt einen geachteten Wehrbeauftragten durch eine Innenpolitikerin, die gegen „Rechtsextreme“ ermittelte und die Bundeswehr nicht kennt. Dabei hatte auch ihr Vorgänger 2019 in seinem Bericht mehr „soziale Kontrolle“ in den Kasernen angeregt. Seine Begründung in Form einer kleinteiligen Aufzählung von Fällen des Besitzes einer Wehrmachtsuniform oder eines Plastikmodells einer Maschinenpistole der Wehrmacht und eines „Bildes einer Person in SS-Uniform“ erweckt jedoch nicht den Eindruck, daß in der Truppe schwerwiegende Probleme bestehen beziehungsweise daß wirklich schwerwiegende Fälle vertuscht oder geduldet würden. Vielmehr entsteht der Eindruck, daß politisch darauf hingewirkt wird, die Grenzen des Tolerierbaren auch hier weiter nach links zu verschieben. Die nun folgenden Anpassungen im Disziplinarrecht bedeuten, daß die Last letztendlich noch mehr auf die Truppe abgewälzt wird und sich ihre Verwundbarkeit durch innere Zersetzung dadurch erhöht, daß man den Ruf nach mehr und härterer Strafe deutlicher betont als den nach Bildung und Erziehung.

Die Truppe hört die Signale. Anhänger einer nicht verbotenen Partei? „Falsches“ oder naives historisches Interesse mit Bildern im Spind, bei Facebook oder bei sich zu Hause? Disziplinarrechtlich können Konsequenzen drohen. Auch für Disziplinarvorgesetzte, die beschuldigt werden, nicht schnell oder deutlich genug darauf reagiert zu haben. Oder eben mit langen Disziplinarermittlungen ohne Beförderung bis zur ergebnislosen Einstellung.

Sämtliche Extremismusfälle in der Bundeswehr bewegen sich mit Blick auf die Gesamtzahl an zivilen und militärischen Angehörigen im Promillebereich. Das Fehlen an Personal, modernen Waffen und Gerät ist wahrlich deutlicher in seinen Auswirkungen auf die innere wie äußere Sicherheit Deutschlands. Die erkennbare Lösung dieser Defizite würde das Vertrauen der Soldaten in die politisch Verantwortlichen und damit unsere politische Ordnung deutlich stärken.






Dr. Jan Hoffmann, Jahrgang 1968, ist stellvertretender Sprecher des AK Sicherheitspolitik der Werte-Union und Bewerber um eine Bundestagskandidatur für die CDU im Kreis Unna.

Foto: Deutsche Soldaten stehen unbequem: Politiker – auch solche, die selbst das Grundgesetz ablehnen – sparen an allen Ecken und Enden der Streikräfte, nur nicht mit Verdächtigungen. Das jüngste Gesetzt ist ein weiterer Tropfen im steten Fluß der Anschuldigungen