© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 28/20 / 03. Juli 2020

Haltungsnote
Selbst Hand anlegen
Gil Barkei

Die meisten Gräberstätten des Zweiten Weltkriegs, die auf vielen normalen Friedhöfen liegen, machen – wenn sie nicht Opfer einer feigen Schändung geworden sind – einen vergessenen Eindruck. Die dunklen Steinplatten sind oft verdreckt und umwuchert. Dies möchte Anna aus Berlin-Zehlendorf ändern. Beim Besuch der Ruhestätte ihrer Großmutter auf einem Friedhof in Berlin-Schöneberg fielen der 15jährigen die trostlosen Kriegsgräber auf. „Viele der Opfer waren so alt wie ich oder lebten nur wenig länger. Ich fand es schlimm, daß die Gräber dieser jungen Menschen so vertrocknet und verwahrlost aussahen“, beschreibt sie der B.Z. die Motivation ihres Vorhabens. Für den Ethik-Unterricht sollte jeder Schüler unter der Aufgabe „Verantwortung übernehmen“ ein Projekt betreuen. Anna entschied sich dafür, die vernachlässigten Kriegsgräber zu pflegen, und legte selbst Hand an. Ihr Einsatz verdeutlicht gleichzeitig den stiefmütterlichen Umgang des rot-rot-grünen Senats mit den Kriegstoten, die eigentlich laut Verwaltungsvorschrift des Bundes zum Gräbergesetz „eine würdige Ruhestätte“ erhalten sollen. Drei Millionen Euro zahlt der Bund dafür an die Hauptstadt, doch nur zwei Drittel der Mittel wurden ausgegeben.