© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

US-Präsident Trumps Rede zum Unabhängigkeitstag
Die Dystopie wird real
Thorsten Hinz

Wie stets im Fall des amtierenden US-Präsidenten sind die deutschen Medien sich einig: Mit seiner Rede zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli hätte Trump sich „unversöhnlich“ gegeben und die „Spaltung“ des Landes vorangetrieben. Dabei hat er lediglich die Tatsache, daß die USA von einem unversöhnlichen Kulturkampf zerrissen werden, beim Namen genannt. Wie zur Bestätigung veranstaltete die selbsternannte „Not Fucking Around Coalition“ (NFAC), eine Art afroamerikanische Miliz, im US-Bundesstaat Georgia einen waffenstarrenden Aufmarsch. Der Ku-Klux-Clan ist seinerzeit nicht martialischer aufgetreten.

Auf einem anderen Blatt steht, daß Donald Trump ungeeignet scheint, einen erfolgreichen Gegenschlag zu führen. Er verfügt über keinen geistigen Überbau aus Grundsätzen, Einsichten und Überzeugungen und folglich auch über keine politische Strategie. Zudem hat sein eruptives Verhalten dafür gesorgt, daß aus politischen Gegnern persönliche Feinde wurden. Das erleichtert es dem informellen Geflecht aus Lobbygruppen, NGOs, Geheimdiensten und Medien – auch „tiefer Staat“ genannt –, ihn zum Präsidenten der folgenlosen Ankündigungen zu degradieren.

Die USA, die mit ihrem „way of life“, ihrer Vorstellung vom guten Leben, lange Zeit eine globale „Hegemony of new type“ (Zbigniew Brzezinski) ausübten, werden allmählich zu einem Land, in dem dystopische Verheißungen sich in Wirklichkeit verwandeln.