© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Bluten auf Bewährung
Bundeswehr I: Die Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte soll sich reformieren
Christian Vollradt

Nein, betonte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die harten Einschnitte seien „keine Strafe“ für das gesamte Kommando Spezialkräfte (KSK), dennoch befinde sich die Eliteeinheit quasi auf Bewährung. Daß das KSK in seiner jetzigen Verfassung „nicht bestehen bleiben kann“, hatte zuvor bereits ihr Parlamentarischer Staatssekretär Peter Tauber in einem Brief an die Obleute des Verteidigungsausschusses des Bundestags mitgeteilt.

Für die Ministerin ist klar: Die 1996 gegründete und in zahlreichen Einsätzen erfolgreiche Truppe erhalte nun einen „Vertrauensvorschuß“ und die „Chance zur Selbstreinigung“. Ausgenommen davon wurde die 2. Kommandokompanie, die aufgelöst wird. Und ihr Schicksal, so machte die Führung des Bundesverteidigungsministeriums vergangene Woche unmißverständlich klar, könnte dem gesamten Verband blühen, wenn bis zum 31. Oktober dieses Jahres nicht die von der Politik gewünschten Ergebnisse geliefert werden.

„Selbstreinigung wäre ein wichtiges Signal“

Koordiniert von Generalinspekteur Eberhard Zorn hatte die „Arbeitssgruppe KSK“ ein 60 Maßnahmen umfassendes Reformpaket erstellt, dessen wichtigste Punkte die Ministerin und der höchste Offizier der Bundeswehr vergangenen Mittwoch präsentierten. Das KSK müsse besser in die Bundeswehr integriert und wirksamer kontrolliert werden, so die Ressortchefin. 

So wird beispielsweise die Stabs- und Führungs­un­ter­stüt­zungs­kom­pa­nie des KSK der Divi­si­on Schnel­le Kräfte unter­stellt, die bisher autonome Ausbil­dung der Elitekämpfer künf­tig dem Heer unter­ge­ord­net. Kommandosoldaten müssen künftig zwingend Vorverwendungen außerhalb des KSK vorweisen, die Führungskräfte sollen verbindlich außerhalb des Kommandos in Ausbildung und Führung eingesetzt werden.

Kommandooffiziere und -feldwebel sollen in Zukunft nur zeitlich begrenzt im KSK Dienst tun und innerhalb der verschiedenen Kompanien „rotieren“. Dem zu laxen Umgang mit Material und Munition werde mit einer „Generalinventur“ begegnet. 

Neu eingeführt werden in der (stets unterhalb ihrer Sollstärke gebliebenen) Einheit neue Dienstposten, und zwar für stellvertretende Bataillonskommandeure und vier weitere „Führungsfeldwebel“. Davon gibt es bis jetzt einen im Dienstgrad eines Oberstabsfeldwebels, eine Ausnahme in der gesamten Bundeswehr und angelehnt an den im angelsächsischen Raum üblichen Command Sergeant Major. Außerdem sollen sich mehr Seelsorger, Psychotherapeuten – aber auch eigens abgestellte Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes der Kommandosoldaten annehmen. Ziel sei, „daß es ein besseres KSK wird, ohne Fehl und Tadel“, so die Ministerin. „Die Selbstreinigung des Kommandos wäre ein wichtiges Signal an die gesamte Truppe“, man wolle „die Mutigen ermutigen“.

Entmutigend wirkt auf nicht wenige in der Truppe die Auflösung der 2. Kommandokompanie. Ein absolutes Novum in der Geschichte der Bundeswehr. Einen „Schlag ins Kontor“ nennt das jemand, der in dieser Kompanie einmal gedient hatte, im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Es ist eine der am längsten bestehenden des KSK, aufgestellt schon ein Jahr nach Gründung des Kommandos. Mehrfach sei diese Einheit erfolgreich in Einsätzen gewesen. Auf dem Balkan haben die Männer Kriegsverbrecher ergriffen, in Afghanistan Gefechtserfahrung gesammelt. 

Und nun wirft man ihr pauschal fehlende Verfassungstreue und Rechtsextremismus vor – ohne handfeste Belege. Eine aus dem Ruder gelaufene Abschiedsfeier vor drei Jahren. Ja, es sei ein Fehler gewesen, daß dies in einer Liegenschaft der Bundeswehr passierte. Mit Beteiligung einer „Escort-Dame“. Aber „diese Männer feiern nun mal nicht wie Sparkassen-Beamte“, sagt der Mann – der nicht bei dieser Feier dabei war. Den Vorwurf, es sei dort der Hitlergruß gezeigt worden, hat die Zeugin später fallengelassen. Der ehemalige Chef der Kompanie hatte einen Strafbefehl akzeptiert, aber nur, damit seine Männer nicht erneut ohne Schutz ihrer Identität vor Gericht aussagen müssen. 

Doch in den Augen der Bundeswehrführung ist das „eine Mauer des Schweigens – zum einen aus falsch verstandener Loyalität, zum anderen aus Angst“, so Kramp-Karrenbauer. In der Kompanie herrsche „ein offen­sicht­lich fehl­ge­lei­te­tes Elite­ver­ständ­nis sowie ein inter­ner Perso­nen­kult“, die Rede ist von „toxic leadership“.

Ihnen eine toxische Führungskultur zu attestieren, „ist eine Beleidigung der besten Ausbilder“, ist aus den Reihen des Kommandos zu vernehmen, die beispiellose Auflösung der 2. Kommandokompanie eine reine „Schmähung“. Von einer „Totengräberstimmung“ ist die Rede, ihm „blutet das Herz“, bekennt ein ehemaliger Angehöriger gegenüber der JF. Allein schon die Außenwirkung: „Da gibt es Patenschaften mit Spezialeinsatzkommandos, mit Einheiten anderer Staaten – das wird alles ausgelöscht, genauso wie die ganze Geschichte“. Diese Kompanie habe einen Gefallenen in ihren Reihen zu beklagen. „Hinter seinem Namen steht seine Einheit – und die gibt es nun nicht mehr“, meint der Soldate bitter.

Der Generalinspekteur kennt dagegen kein Pardon. Es werde „keine Türschild-Lösung“ geben, machte der Generalinspekteur klar. Will sagen: die 2. Kommandkompanie wird nicht einfach mit einer neuen Bezeichnung oder anderen Nummer versehen. Nein, mit der Auflösung verliere dort jeder seinen Dienstposten, jeder werde versetzt und müsse sich für eine entsprechende Verwendung in einer der anderen Kompanien neu bewerben. Und dabei schwingt deutlich mit: wer dem alten Geist dort nicht abschwört, hat keine Chance auf eine der alten vergleichbare Verwendung im KSK. 

Natürlich hätten die Waffen- und Sprengstoffunde auf dem Privatgrundstück eines Angehörigen dieser Kompanie (JF 24/20) einen schweren Schaden bedeutet, ist aus der Einheit zu hören. Da gebe es nichts zu deuteln, „das ist schlicht kriminell, und der Mann gehört hinter Gitter“. Aber dafür könne man nicht die Kameraden verantwortlich machen. Zumal von dessen Treiben auch der MAD nichts bemerkt hatte, sondern die Entdeckung einem Hinweis aus dem privaten Umfeld zu verdanken war. 

Andere Maßnahmen, die die Ministerin und der Generalinspekteur vergangene Woche erläuterten, betreffen nicht nur die Eliteinheit, sondern die gesamte Bundeswehr. So soll die (Rechts-)Extremismusabwehr des MAD noch einmal verstärkt, die Kooperation mit dem Verfassungsschutz weiter intensiviert werden. Eingeführt wird zudem eine neue Sicherheitseinstufuung und eine Beorderungs-Sicherheitsüberprüfung für Reservisten.

Kritik am Umgang mit der Eliteeinheit übte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Rüdiger Lucassen. Die Ministerin habe ihr „tiefes Mißtrauen gegenüber den tausend Soldaten des Verbandes“ ausgesprochen, sagte er der JF. Dazu passe auch, wenn sie von „Bewährung“ spricht. „Das klingt, als ob ein Urteil gefällt worden sei. Das ist der Generalverdacht gegen die Bundeswehr, gegen den sich die Lippenbekenntnisse der Berliner Politik seit Jahren aussprechen. Frau Kramp-Karrenbauer bewegt sich damit in der Tradition ihrer Vorgängerin, die der Truppe ein Haltungsproblem unterstellte.“