© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Gold und Silber lieb’ ich sehr
Paul Rosen

In Berliner Nächten wird zwar wegen Corona nicht mehr so häufig gefeiert, dafür liefert die Politik zu später  Stunde Überraschungen. Im Haushaltsausschuß des Bundestages stand wieder einmal eine „Bereinigungssitzung“ an, so heißt die letzte Zusammenkuft des Gremiums vor der abschließenden Beratung des Etats durch das Parlament. Sie pflegen bis in die früheren Morgenstunden zu dauern. In diesem Jahr häufen sie sich, da wegen der Pandemie schon der zweite Nachtragsetat beschlossen werden mußte. Erwartbar war, daß die Neuverschuldung um weitere 61,8 Milliarden auf unvorstellbare 217,772 Milliarden Euro steigt. Die „Schwarze Null“ ist schon kurz nach der Premiere von Covid-19 von der Tagesordnung verschwunden.

Dafür kam bei der Beratung des Einzelplans des Wirtschaftsministeriums überraschenderweise eine neue Subvention auf den Tisch. Unter dem klangvollen Namen „Förderung der digitalen Transformation des Verlagswesens zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, - zeitschriften und Anzeigenblättern“ bewilligte der Haushaltsausschuß bis zu 20 Millionen Euro für das zweite Halbjahr 2020. Empfänger sind die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, die in den letzten Jahren massive Auflagenverluste erlebten.

Die Summe entspricht – bezogen auf ein volles Jahr – dem bisher schon im Etat des Arbeits- und Sozialministeriums vorhandenen Titel „Förderung der Zusteller von Abonnementzeitungen und Anzeigenblättern“ mit 40 Millionen Euro (JF 27/20). Diese Subvention war umstritten – vor allem weil die Zeitungszusteller überwiegend in 450-Euro-Beschäftigungsverhältnissen sind und damit die Frage aufkam, warum gerade die Zeitungsbranche subventioniert wird und andere Branchen mit 450-Euro-Jobbern nicht. Daher wurde sie gestrichen. Rechtliche Risiken werden bei der „Förderung der digitalen Transformation“ offenbar weniger gesehen. Außerdem wird die Pressesubvention verstetigt: Der Ausschuß stellte für die kommenden Jahre mit sogenannten Verpflichtungsermächtigungen insgesamt 200 Millionen Euro bereit.

In den vergangenen Jahren hatte sich bereits eine indirekte Form der Pressesubventionierung herausgebildet: Die Bundesregierung schaltete Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften. Auch in diesem Jahr sind Anzeigenkampgagnen zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft, zur Grundrente und zur wirtschaftlichen Lage, letztere mit dem propagandistisch anmutenden Titel „Wir ebnen den Weg für einen neuen Aufschwung“ geplant. 

Für die Anzeigen in der gedruckten Presse gab die Bundesregierung zwischen 2015 und 2019 fast 90 Millionen Euro aus, wie der fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch erfuhr. Einmal beim Empfänger angekommen, entwickeln sich Subventionen zu einem süßen Gift. Sie müssen immer weiter steigen, und zum Schluß muß man feststellen, daß sie nichts bewirken. Beweis ist der kürzlich stillgelegte deutsche Steinkohlenbergbau, der jahrzehntelang mit Milliarden unterstützt wurde.