© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

EZB rechtfertigt sich für Staatsanleihekäufe – Bundestag zufrieden
Freibrief im Eilgang
Dirk Meyer

Wenn Ameisen in Eile sind, droht immer ein Erdbeben, warnte schon vor etwa 2.500 Jahren Konfuzius. Bundesregierung und Bundestag haben die von der EZB gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geforderte Darlegung der Verhältnismäßigkeit der Staatsanleihekäufe (PSPP, JF 20/20) dennoch akzeptiert. So heißt es im Brief von Olaf Scholz an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble: Das Bundesministerium der Finanzen sei der Überzeugung, daß der EZB-Rat seine Verhältnismäßigkeitserwägungen „nachvollziehbar dargelegt“ habe.

Doch die sieben Unterlagen wurden erst am selben Tag dem Ministerium zugestellt. Vier waren bereits öffentlich zugänglich – wurden anfänglich aber als geheim eingestuft. Die anderen drei Papiere wurden den Abgeordneten erst am 29. Juni in der Geheimschutzstelle des Bundestages zugänglich gemacht. In Teilen sind die Seiten geschwärzt. Dabei wurde nicht nur die Unverständlichkeit der Ausführungen, sondern auch der Zeitdruck moniert. Denn bereits am selben Tag war der Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen formuliert und drei Tage danach beschlossen: „Der Deutsche Bundestag hält die Darlegung der EZB zur Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung für nachvollziehbar und die Vorgaben des Urteils des BVerfG ... somit für erfüllt.“

Wer die öffentliche Anhörung im Europaausschuß Ende Mai verfolgt hat (JF 24/20), hätte nichts anderes erwartet: Möglichst geräuschlos aus der Auflage dieses Urteils herauskommen. Insofern reichte es, daß die EZB eine mehr formale und inhaltlich wenig begründete Aussage lieferte. Immerhin wurde im Protokoll zur EZB-Ratssitzung vom 3./4. Juni dreimal auf die „Verhältnismäßigkeit“ verwiesen. Nicht ganz ohne Hintergedanken dürfte die EZB dieses Dokument als zentral für die Prüfung eingestuft haben, denn die dort gefaßten „geldpolitischen Beschlüsse“ entsprechen der „Beschluß“-Anforderung des BVerfG. Eine mögliche Vollstreckungsanordnung durch Antrag der Beschwerdeführer zur Prüfung dürfte auch deshalb folgenlos bleiben.

Interessant sind die drei im Bundestag abgelehnten Anträge. So schlägt die AfD die Einrichtung einer Berichtsstelle bei der Bundesbank und bei der EZB vor, um Mandatsüberschreitungen zukünftig vorzubeugen. Die FDP plädiert für einen „Unterausschuß des Haushaltsausschusses, der unter Hinzuziehung von Sachverständigen die Einhaltung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung regelmäßig überprüft“. Die Linke will hingegen die EU-Verträge passend ändern: So sei das „Verbot der monetären Staatsfinanzierung aufzuheben und das Mandat der EZB dahingehend zu ergänzen, daß die EZB die Zahlungsfähigkeit der nationalen Regierungen garantiert“. Konfuzius läßt grüßen.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.