© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Keinen Fußabdruck hinterlassen
Aus Müll und Naturstoffen: Öko-Turnschuhe versuchen die CO2-Bilanz möglichst klein zu halten
Boris T. Kaiser

Der eigene CO2-Fußabdruck wird in unserer Epoche der allgemeinen Tugendprotzerei immer wichtiger. Längst gilt dies nicht mehr nur im übertragenen Sinne. Sportschuh-Hersteller setzen in jüngster Zeit mehr und mehr auf angeblich klimaneutrale „Öko-Sneaker“. 

So verkauft der bislang nicht gerade für seine besonders große Rücksichtnahme auf Mensch und Natur bekannte Aldi-Konzern neuerdings einen Turnschuh, der zum Teil aus recycelten Plastikflaschen hergestellt wird. Endlich eine gute Erklärung dafür, was aus all den leergetrunkenen Kunststoffpullen wird, die man regelmäßig in diesen monströsen Automaten am Eingang des Supermarktes steckt, nachdem diese deutlich hörbar, auf ziemlich brutale Art und Weise, zerquetsch wurden. 

Der seit Juni bei Aldi Süd erhältliche Treter macht mit seinem Preis von 12,99 pro Paar das reine Umweltgewissen auch für all jene erschwinglich, die es sich nicht durch den eigenen medienwirksamen „Klima-Aktivismus“ oder ein großindustrielles Familienerbe finanzieren lassen können. Die angepriesene „Klimaneutralität“ ist natürlich nur eine rechnerische. Die CO2-Emissionen, die bei Produktion, Transport und Vertrieb des „grünen Sneakers“ der Eigenmarke Crane Pure entstehen, will Aldi mit einem Klimaschutzprojekt in Kambodscha kompensieren.

Deutlich hochpreisiger als der Aldi-Turnschuh aus wiederaufbereiteten PET-Flaschen sind die Recycling-Modelle der US-Marke Nike. Rund 130 Euro aufwärts muß der trendbewußte Öko für die Latschen aus der „Space Hippie“-Kollektion lockermachen – Pappkarton aus pflanzlichem Material inklusive. Dem Absatz des Schuhs, den der Markenhersteller selbst als „Trash“, also Müll bezeichnet, hat das offenkundig keinen Abbruch getan. 

Obgleich es die Müllschuhe erst seit Juni gibt, ist die komplette Linie im Nike-Onlineshop bereits ausverkauft. Auch wenn „Space Hippie“, im Gegensatz zum sehr sauber wirkenden Billig-Konkurrenten tatsächlich so aussieht, als bestünde er ganz und gar aus Recyclingmüll, gibt der Hersteller dessen Anteil „vom Obermaterial bis zur Außensohle“ lediglich mit „mindestens 45“ Prozent an.

Zu den Nachhaltigkeitstretern der eher gehobenen Klasse gehören auch die Schuhe der Firma Allbirds. Das vom Neuseeländer Tim Brown gegründete Unternehmen, das anfangs von der neuseeländischen Wollindustrie gefördert wurde, verwendet für seine Produkte und Verpackungen neben recycelten Plastikflaschen hauptsächlich Baum- und Schafswollfasern, Altpappe, Eukalyptosbaumfasern, Zuckerrohr und Rizinusöl. 

„Ein herkömmlicher Sneaker stößt 12,5 Kilogramm CO2 aus. Unsere Schuhe stoßen im Durchschnitt 7,6 Kilogamm CO2 aus. Aber wir wollen mehr tun. Unser Ziel ist es, von Anfang an keinen CO2-Fußabdruck zu erzeugen. Der erste Schritt dahin ist, unseren Fußabdruck zu messen. Denn selbst wenn wir noch nicht bei null sind, können wir es irgendwann sein. Es ist auf jeden Fall Teil des Plans“, heißt es auf der Internetseite der ambitionierten Marke, die neben Geschäften in Berlin, London und Amsterdam etliche Shops in den USA betreibt. 

Auch die österreichische Traditionsmarke Giesswein hat mittlerweile Wollschuhe im Angebot, die einen besonders hohen Barfußtragekomfort bieten sollen.

Mehrere Millionen Umsatz

Mit dem Frankfurter Noel Klein-Reesink mischt auch ein Deutscher kräftig mit bei dem neuen Hype um die Öko-Schuhe. Mit seiner Marke EKN Footwear macht der Hesse inzwischen einen Jahresumsatz von rund einer Million Euro. Neben der Umwelt ist dem hippen Jungunternehmer vor allem der soziale Aspekt bei der Produktion seiner nachhaltigen Herstellung wichtig. Produziert wird ausschließlich in Europa. Trotzdem liegt der Preis für die Sneaker aus der Trend-Schmiede am Main mit 70 bis 200 Euro nicht über dem anderer, oft deutlich größerer im Ausland produzierenden Markenhersteller.

Die ökologische Speerspitze auf dem Turnschuhmarkt ist die französische Marke Veja. Alleine 2018 konnten die Franzosen 550.000 Paar Schuhe verkaufen. Auch der Jahresumsatz stieg sprunghaft an. Waren es 2017 noch rund 18 Millionen Euro, hat sich der Umsatz ein Jahr später mit insgesamt 34 Millionen Euro bereits nahezu verdoppelt. Rosige Zeiten für grüne Treter.