© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/20 / 10. Juli 2020

Kabinenklatsch
Unsummen für wenig Erfolg
Ronald Berthold

Jetzt habe ich ein paar Nächte drüber geschlafen. Ja, ich will doch noch nachtreten. Denn der HSV hat sich meine Häme echt hart erarbeitet. Er dreht die dritte Ehrenrunde in der Zweiten Liga. Mein Mitgefühl haben nur die treuen Anhänger. Sie leiden – ja, schlimmer noch: Sie schämen sich. Der Klub indes hat sich komplett lächerlich gemacht. Schon als die Hamburger noch als selbsternannter Dino durch die Bundesliga stampften, ging mir die Großkotzigkeit – der Größe eines Urzeitriesen entsprechend – auf die Nerven. Hoffnung machten mir die Taten: Die Saurier starben bekanntlich aus. Mit den Abermillionen ihres Gönners Kühne kündigten sie jedes Jahr die Champions-League an, um dann wieder gegen den Abstieg zu spielen. Unsummen gab der Klub für neue Spieler aus, die sich eine goldene Nase verdienten. Doch wie durch Zauberhand waren die Stars plötzlich außer Form, bis sie den HSV für ein Butterbrot verließen und woanders zeigten, welche Klasse sie besitzen.

Große Sprüche und Geldprotzerei, gepaart mit Unvermögen wecken meine Schadenfreude.

Irgendwann dämmerte mir, daß dieses einzigartige Phänomen nicht nur mit den Kickern, sondern auch mit dem Verein zu tun haben muß. Zweimal fieberte ich vergeblich, daß die Relegation dieses unwürdige Theater beendet. Erst 2018 kam der verdiente Abstieg.

Nun haben die Hamburger, mit einem Rekord-Etat von 160 Millionen Euro ausgestattet, zum zweiten Mal hintereinander den Wiederaufstieg auf den letzten Metern verspielt. Am letzten Spieltag hätte ein 0:0 zu Hause gegen Sandhausen gereicht, um wenigstens den dritten Platz zu erreichen. Gegen Sandhausen mit einem 18-Millionen-Budget! Am Ende hieß es 1:5.

Bei Pech hätte ich mir diese Kolumne vielleicht verkniffen. Aber große Sprüche und Geldprotzerei, gepaart mit Unvermögen und Dummheit wecken meine Schadenfreude. Wie schön für mich als Fußball-Romantiker, daß Geld nicht immer Tore schießt. Bielefeld erreichte die Meisterschaft mit 28 Millionen Euro, Heidenheim den Relegationsplatz mit genausoviel. Lieber HSV, schalte mal überall einen Gang runter. Dann wirst du sympathischer und vielleicht auch erfolgreicher.