© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/20 / 17. Juli 2020

Andrzej Duda setzt sich bei Präsidentenwahl in Polen durch
Europa hat gewonnen
Marco F. Gallina

Konrad Adenauer gewann die Kanzlerwahl von 1949 mit einer Stimme Mehrheit – mit der eigenen, wie er scherzte. Heute gelten knappe Ergebnisse als Seismograph: sie verdeutlichen, daß ein Land gespaltener denn je sei. In Polen greift die westliche Presse nach diesem Strohhalm, weil die Wiederwahl Andrzej Dudas nicht nur nationalen, sondern auch europäischen Symbolgehalt hat.

Die linksliberalen Stimmen des Kontinents erhofften sich eine Abwahl Dudas und damit die ersehnte „Angleichung“ an Westeuropa in den Kategorien LGBT, Christophobie, Multikulti und Migrationseuphorie. Im knappen Ergebnis schimmert für sie die Hoffnung: Wir sehen uns wieder bei Philippi. Doch es handelt sich um Selbstbetrug.

Bronislaw Komorowski erreichte vor zehn Jahren 53 Prozent, Lech Kaczynski wurde 2005 mit 54 Prozent zum Staatspräsidenten gewählt, Aleksander Kwasniewski gewann im Jahr 2000 mit einem ähnlichen Ergebnis. Dudas Wahl ist nicht außergewöhnlich. Die Sonderstellung der letzten Staatspräsidentenwahl ist eher darin zu suchen, daß noch nie zuvor seit dem Ende des Eisernen Vorhangs eine solche mediale Einmischung von außen stattfand, namentlich aus Deutschland. Die Polen haben sich nicht beirren lassen. Der Historiker David Engels, der in Polen lebt, hat es treffend ausgedrückt: Am Sonntag hat das andere, das wahre Europa gewonnen.