© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/20 / 17. Juli 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Null null Seibert?
Christian Vollradt

Er ist ein ständiger Begleiter der Bundeskanzlerin und gilt als stets loyaler  Mitarbeiter Merkels: Steffen Seibert ist  mittlerweile der am längsten amtierende Regierungssprecher in der Geschichte der Bundesrepublik. Seine Hauptaufgaben: den Journalisten die Arbeit oder Haltung der Bundesregierung zu verkaufen – etwa in den wöchentlichen Regierungspressekonferenzen – und umgekehrt die Kanzlerin über das Geschehen um sie herum zu informieren. 

Daneben ist Seibert auch Behördenchef im Rang eines Staatssekretärs, der die Geschicke des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung (BPA) mit seinen knapp 500 Mitarbeitern und einem Haushalt von mehr als hundert Millionen Euro lenkt. 

Beide Aspekte – enge Zusammenarbeit mit Merkel und die Behördenleitung – ließen das Regierungsviertel aufhorchen, als dieser Tage die Nachricht vom „Spion bei Seibert“ durch den Blätterwald rauschte. Bereits im Dezember vergangenen Jahres ging das Bundeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts gegen einen Mitarbeiter des BPA vor, der den Behörden zufolge „über Jahre hinweg einem ägyptischen Nachrichtendienst zugearbeitet haben soll“. Mit Fragen gelöchert wurde von den Hauptstadtjournalisten am vergangenen Freitag dann Seiberts zweite Stellvertreterin Martina Fietz. Um was für einen Mitarbeiter es sich genau gehandelt habe, wollte man wissen, wie lange er im Amt tätig war und wie nahe der Betreffende dem Regierungssprecher oder seinen Stellvertretern kam, worauf er angesetzt war und wie er schließlich aufflog. Die Antwort fiel wie erwartet sehr knapp aus: „Wir äußern uns weder zu laufenden Ermittlungsverfahren noch zu Personalangelegenheiten“, so die Sprecherin. 

Laut Medienberichten soll es sich bei dem enttarnten Agenten um einen aus  Ägypten stammenden Mann handeln, der „im mittleren Dienst“ des BPA tätig, also nicht sehr hoch in der Hierarchie angesiedelt ist. Gearbeitet habe er im Referat 413, dem Besucherdienst, der zum Beispiel das Rahmenprogramm für Besuchergruppenvon Bundestagsabgeordneten organisiert und finanziert. Sowohl sein Büro als auch seine Wohnung seien durchsucht, ein Haftbefehl jedoch sei nicht erlassen worden. Unbekannt ist auch, für wen genau er spionierte. Laut Verfassungsschutz sind sowohl der ägyptische Auslandsgeheimdienst General Intelligence Service (GIS) als auch der für das Inland zuständige National Security Service (NSS) in Deutschland tätig. Ihr Hauptziel sei, „Erkenntnisse über in Deutschland lebende Oppositionelle“ wie beispielsweise die Mitglieder der islamistischen Muslimbruderschaft zu gewinnen. 

Die größte Sorge des Vereins der Auslandspresse in Deutschland: Hatte der Mann Zugriff auf Daten des BPA, das auch verantwortlich für die Akkreditierung der ausländischen Korrespondenten in Deutschland ist? Ein unmittelbarer Zugriff auf sensible Daten sei nicht möglich gewesen, entgegenet das Presseamt. Für Akkreditierung ist dort in der Tat ein anderes, das Referat 400, zuständig. Aber immerhin gehören beide zur selben Abteilung 4 –„Kommunikation“.