© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/20 / 17. Juli 2020

Grüße aus Bozen
Schwarze Flecken
Paul Decarli

La dolce Vita – das italienische Lebensgefühl. Damit verbindet man auch in Südtirol im ersten Moment einen kühlen Veneziano (Aperol Spritz) zum Aperitivo an einem lauen Sommerabend. Dieses Bild der zwei Kulturräume dient dabei als perfekt instrumentalisierte Vorlage für den größten Wirtschaftszweig des Landes: den Tourismus. Der steht für mehr als 150.000 Gästebetten und 33 Millionen Übernachtungen jährlich – bei nur 533.000 Einwohnern. 

Doch unter der Hand schwappt mit der Mentalität aus dem Süden nicht nur eine gewisse Lockerheit ins Land im Gebirge, sondern auch das knallharte organisierte Verbrechen. Frei nach dem Motto: Wo Wohlstand, da auch Kriminalität. 

Männer des Ndrangheta-Clans wurden dingfest gemacht. Sie operierten aus einer Cafébar.

Bereits in den neunziger Jahren zerschlugen Ordnungskräfte die erste mafiöse Vereinigung Südtirols, 29 Personen wurden damals insgesamt zu mehr als 350 Jahren Haft verurteilt. Nun hoben die Beamten erneut eine Mafiazelle aus. Elf zum Teil vorbestrafte Männer des kalabrischen Ndrangheta-Clans wurden nach monatelangen Ermittlungen dingfest gemacht.

Aus einer Bozner Cafébar heraus operierten die Mafiosi, konzentrierten ihre kriminelle Energie dabei hauptsächlich auf den Vertrieb von Kokain und weiteren Suchtmitteln. Daß die illegalen Machenschaften auch bis zu Mord reichen, verdeutlicht ein Fall aus dem Jahre 2016. Damals wurde der leblose Körper eines 23jährigen Asiaten in der Nähe von Bergamo gefunden. Sein Mund war zugeklebt, und zwei Kugeln steckten in seiner Brust. Die Eltern des Jungen waren selbst Betreiber einer zwielichtigen Cafébar in Bozen.

Wie Nadelstiche treffen diese Meldungen die heile und fleckenreine Welt Sudtirols immer wieder. Daß dabei das Thema nicht einfach gesellschaftlich totgeschwiegen wird, zeigte eindrucksvoll ein Schulprojekt. Unter dem Titel „Frei von Mafia“ arbeiteten sich die Schüler mehrerer Oberschulklassen in die Materie ein. Auch die Politik trägt der Situation Rechnung. So erinnert in Bozen bereits seit mehr als fünf Jahren eine Gedenktafel an Opfer der Mafia. Ein Tropfen auf den heißen Stein? Das traurige Thema Südtiroler Mafia hat es jedenfalls bereits zur Drehbuchvorlage für den von der ARD produzierten Bozen-Krimi „Zündstoff“ geschafft. Eine Bombenexplosion sprengt dort im wahrsten Sinne des Wortes ein Mafia-Geheimtreffen in Bozen. Ein Bodyguard der Gastgeberin Giulia Santoro kommt ums Leben, die erzürnten Bosse reisen überstürzt ab.