© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

„Eine wahnsinnige Ideologie“
Erneut ist es zu Ausschreitungen gegen die Polizei gekommen, zunächst in Frankfurt, am Samstag in Köln. Wirkt der „Black Lives Matter“-Generalverdacht dabei katalytisch? Was ist überhaupt dran am importierten Rassismus-Vorwurf? US-Journalist Pedro Gonzalez antwortet
Moritz Schwarz

Herr Gonzalez, der Frankfurter Polizeipräsident macht die „undifferenzierte Vorwurfslage“ gegen die Polizei – infolge der Berichte über „Rassismus“ und Polizeigewalt in den USA – für den Gewaltexzeß in seiner Stadt in der Nacht auf den 19. Juli mitverantwortlich. Ist das plausibel?

Pedro Gonzalez: Ja, denn zwar kenne ich die Lage in Deutschland nicht, aber  hierzulande haben diese Anschuldigungen – obwohl ohne jede Faktengrundlage – definitiv zu gesteigerter Aggression gegenüber der Polizei geführt. 

„Ohne jede Faktengrundlage“ – welche Belege haben Sie dafür?

Gonzalez: Sehr einfach, Statistiken und Studien belegen das. So wurden in den USA seit 2015 fast doppelt so viele Weiße wie Schwarze durch Polizisten getötet.

Das hat Präsident Trump auf einer Pressekonferenz unlängst auch behauptet. Die „Tagesschau“ wirft ihm nun vor, „Gewalt gegen Schwarze zu relativieren ... (und) herunterzuspielen“, denn „23 Prozent der Getöteten sind Schwarze – die aber nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen“. 

Gonzalez: Hat dieser Sender auch berichtet, daß der Anteil schwarzer Verdächtiger viel höher ist als der weißer?

Nein. 

Gonzalez: Tatsächlich stellen Schwarze 53 Prozent der Mordverdächtigen. Weiße dagegen nur 44 Prozent – bei sechzig Prozent Bevölkerungsanteil.

Sie meinen, verrechnet man die Zahl der von der Polizei getöteten Weißen und Schwarzen statt mit dem Bevölkerungsanteil mit ihrem Mordverdächtigenanteil, stellt sich die Situation ganz anders dar?

Gonzalez: Natürlich, dann sind es Weiße, die überproportional häufig von der Polizei getötet werden. 

Bei rund 2.500 weißen und 1.250 schwarzen Opfern von Polizeikugeln seit 2015 – Quelle ist die „Washington Post“ – wären das dann tatsächlich fünfzig Prozent Weiße zuviel und etwa 35 Prozent Schwarze „zuwenig“ – um ihrem jeweiligen Anteil an der Mordverdächtigenstatistik zu entsprechen. 

Gonzalez: Soviel also zu dem Vorwurf, Trump „relativiere“ ...    

Aber Studien, wie etwa die von Cody T. Ross 2015 in der Fachzeitschrift „Plos One“ publizierte, belegen das höhere ­Risiko Schwarzer, von Polizisten getötet zu werden.

Gonzalez: Diese Studie stützte sich auf die „US-Police-Shooting Database“ – die aber nur gemeldete Fälle sammelt und daher unvollständig ist. So gab sie etwa für die Stadt Houston nur 16 von der Polizei getötete Zivilisten während des von Ross betrachteten Zeitraums an. Tatsächlich waren es dort aber 177, wie der Harvard-Professor Roland Fryer in seiner Studie belegt hat. Auch die jüngste Studie zu dem Thema kommt übrigens zu dem Ergebnis, daß es „keine signifikanten Hinweise für eine anti-schwarze Voreingenommenheit gibt ... (bezüglich) der Wahrscheinlichkeit, von der Polizei erschossen zu werden“. Sowie daß „weiße Polizisten nicht häufiger Minderheiten töten als nichtweiße Polizisten“. 

Ist diese Studie denn zuverlässig?

Gonzalez: Nun, sie erschien 2019 in Proceedings of the National Academy of Sciences, der wissenschaftlichen Fachzeitschrift der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA! 

Ihr eigenes Publikationsorgan „American Greatness“ gilt jedoch als rechtsgerichtet: Wie unvoreingenommen ist also Ihre Argumentation überhaupt?

Gonzalez: Wir sind natürlich nicht neutral, sondern proamerikanisch – aber ganz sicher unvoreingenommener als die etablierten Medien, wo es große Tabus und Abhängigkeiten gibt. Und anders als einige von diesen hatten wir auch noch nie einen negativen Faktencheck! 

Laut dem Medienvergleichsportal www.mediabiasfactcheck.com rangiert „American Greatness“ auf der rechten Seite auf dem gleichen Seriösitätsniveau wie auf der linken Seite etwa CNN oder „Newsweek“. 

Gonzalez: CNN nein, der Sender ist völlig parteiisch! Newsweek ja, die sind um Unabhängigkeit bemüht – so habe ich dort etwa auch schon publiziert. „American Greatness“ schreibt durchaus auch Dinge, über die sich Konservative ärgern oder veröffentlicht für sie unerfreuliche Fakten. Und Sie sehen ja, daß ich in unserem Gespräch Argumente stets durch Fakten oder Studien belege.

Nur gibt es offenbar immer solche und solche Studien – und der Laie fragt sich schließlich: Was stimmt denn nun?

Gonzalez: Natürlich führe ich solche an, die ich sachlich überzeugend finde. Nehmen Sie etwa jene des eben schon erwähnten Harvard-Experten, die auch deshalb für Aufmerksamkeit sorgte, weil Roland Fryer selbst Schwarzer und obendrein ein Linker ist: 2016 wertete er über 1.300 Polizeiprotokolle von Schußwaffeneinsätzen der Polizei in zehn Städten wie Dallas, Houston, Orlando, Los Angeles etc. zwischen 2005 und 2015 aus. Ergebnis: Beweise für Rassenvorurteile als Ursache tödlicher Polizeigewalt fand er nicht. Die New York Times zitierte ihn schließlich so: „Das ist das überraschendste Resultat meiner Karriere!“ Wobei schon eine Analyse des Justizministeriums der Polizei von Philadelphia 2015 ergab, daß weiße Polizisten weniger schwarze Verdächtige töteten als ihre schwarzen oder hispanischen Kollegen. Und Fryer zeigte sogar, daß die Gefahr, Opfer von Polizeikugeln zu werden, für Weiße größer sein kann als für Schwarze!

Wie das? 

Gonzalez: Eine Befragung der Polizisten ergab, daß diese bei Schwarzen mehr Sorge haben, ihren Job zu verlieren sowie in den Medien angeklagt zu werden. 

Wie paßt das dazu, daß pro eine Million US-Einwohner 31 Schwarze, aber nur 13 Weiße von Polizisten erschossen werden?

Gonzalez: Das ist kein Widerspruch, denn Fryer untersuchte Fälle, in denen es angemessen gewesen wäre, daß die Beamten geschossen hätten – dennoch aber darauf verzichteten. Ergebnis: Bei Schwarzen verzichten sie eher auf Waffeneinsatz als bei Weißen. Und das unterstützt auch das Ergebnis eines sozialen Experiments einer Wissenschaftlerin der Universität Washington von 2016 mit 116 fast nur weißen Polizisten: Schwarzen gegenüber waren sie zögerlicher mit dem Waffeneinsatz als Weißen gegenüber – und zwar um den Faktor drei!    

Fryers Studie ergab allerdings auch, daß anders als bei der tödlichen, bei nichttödlicher Polizeigewalt – Fausteinsatz, Handschellen, zu Boden werfen, Drohen mit der Waffe – schwarze Tatverdächtige im Schnitt zwanzig Prozent häufiger betroffen waren. Man könnte vermuten, vielleicht zeigten diese ja mehr Aggressivität. Doch stellte Fryer fest, daß es auch bei den von der Polizei als kooperativ eingestuften Verdächtigen immer noch circa zehn Prozent mehr Schwarze waren, die Gewalt erfuhren. Haben wir hier also nicht doch einen Beweis für zwar nichttödliche, aber rassistische Polizeigewalt?

Gonzalez: Natürlich gibt es in den USA, wie in jedem Land, auch Rassismus. Aber diese zehn Prozent müßten erstmal weiter untersucht werden, etwa hinsichtlich der Frage, welcher Rasse die Polizisten angehörten. Ihre Frage unterstellt ja, diese zehn Prozent seien Opfer weißer Polizisten geworden. Dem widersprechen Studien, wonach weißen Polizisten nicht häufiger gegen nichtweiße Verdächtige auffällig werden, als ihre en Kollegen. Dazu kommt, daß für Polizisten die Gefahr, von einem schwarzen Verdächtigen attackiert zu werden, statistisch deutlich höher ist als von einem weißen. Polizisten stufen die Bedrohung durch schwarze Verdächtige also zu Recht als größer ein und verhalten sich vorsichtiger, sprich wenden schneller präventiv Gewalt an. Ständig wird über die Gefahr gesprochen, die Schwarzen durch die Polizei drohe. Tatsächlich müssen sich aber eher Polizisten vor Schwarzen fürchten als umgekehrt! Denn, so Heather Mac Donald, Expertin einer New Yorker Denkfabrik, im Wall Street Journal, die Gefahr für einen Beamten, von einem Schwarzen getötet zu werden, ist 18,5 mal größer, als für einen unbewaffneten Schwarzen von seiten eines Polizisten. Oder, wie sie auch schrieb: Männliche Schwarze machen zwar nur sechs Prozent der US-Bevölkerung aus – stellen aber 42 Prozent der „Cop-Killer“, also der Polizistenmörder!     

Entscheidend für das Kriterium „Rassismus“ ist jedoch sowieso nicht, wer häufiger von der Polizei erschossen wird – denn meist hat die Gründe zu schießen. Muß die entscheidende Frage nicht vielmehr lauten: Wie oft werden Weiße und Schwarze Opfer ungerechtfertigter Polizeigewalt?  

Gonzalez: Das ist in der Tat die eigentliche Frage. Und auch dazu gibt es Zahlen, nämlich wie viele Unbewaffnete von der Polizei erschossen werden. 2019 waren das laut Heather Mac Donald in den USA neun Schwarze und 19 Weiße. 

Verrechnet man die Zahlen, dann entsprechen 23 tote Weiße ihrem Bevölkerungsanteil von sechzig Prozent, fünf tote Schwarze dem von 13 Prozent. Es bleibt also jeweils eine Differenz von vier Toten. Fazit: Der strukturelle Rassismus – unterstellt, alle anderen Erklärungen scheiden aus – in puncto tödliche Waffengewalt des gesamten US-Polizeisystems stützt sich für 2019 demnach auf gerade mal acht Fälle – vier zuviel getötete Schwarze und vier zuviel verschonte Weiße. 

Gonzalez: Jeder zu Unrecht Getötete ist einer zuviel! Aber diese Zahl zeigt erneut, wie absurd es ist, angesichts von 665.000 Polizeiangehörigen in den USA von „strukturellem Rassismus“ zu reden.  

Wie können sich in Anbetracht dieser Zahlen die „Black Lives Matter“-Vertreter in der öffentlichen Debatte behaupten?

Gonzalez: Die Zahlen kommen in großen Mainstream-Medien gar nicht vor. 

Wie? 

Gonzalez: Ausgangspunkt der Debatte ist, rassistische Polizeigewalt gegen Schwarze sei umfassende, systemische Realität! Und nicht nur das, sondern die Lage im Land sei in jeder Hinsicht von einem systemischen, tief in der amerikanischen Geschichte angelegten Rassismus geprägt. Das wird so in den Schulen gelehrt, in den Medien erzählt, und das sagen unsere Politiker. Wer einen Job bei einer Bundesbehörde antritt, bekommt das sogar offiziell als politische Bildung vermittelt. Ob all das wahr ist und bewiesen werden kann, wird gar nicht gefragt. Und sollte das doch einer wagen, wird er im besten Fall als „Rassist“ beschimpft, im schlimmsten Fall verliert er seinen Arbeitsplatz oder fliegt von der Schule.

Mit was haben wir es da zu tun?

Gonzalez: Mit einer totalitären Gefahr. Das mag im ersten Moment übertrieben klingen, aber ich habe mir diese Aussage gut überlegt – denn ich lehne Übertreibungen selbst ab! Doch „Black Lives Matter“ geht es tatsächlich weder um Gerechtigkeit noch darum, die Gesellschaft positiv zu verändern, sondern, so zynisch es klingen mag, um Macht. Sicher, an der Basis finden sich auch Idealisten, aber ihre Anführer treiben mit aller Härte einen moralischen Imperialismus voran. Und das ist es, was das Ganze totalitär macht. Es geht nicht klassisch um das Erreichen einer Machtposition in der Gesellschaft, sondern um Macht im Sinne ihrer totalen Unterwerfung. Ziel ist nicht die Vorherrschaft in der Gesellschaft, sondern ihre vollständige Durchdringung – mit den „richtigen“ Ideen. Weshalb auch kein Platz für Andersdenkende bleibt, nicht mal in völlig unwichtiger Stellung, etwa ein kleiner Angestellter. Nein: Du mußt mitlaufen – oder du wirst ausgeschlossen!   

Klingt nach NS- oder DDR-Totalitarismus – frappierend, denn für Deutsche sind die USA das Land der Freiheit. 

Gonzalez: Ich weiß, meine Frau ist Deutsche und sagt: „Alles, was ich an Amerika bisher geschätzt habe, fängt an zu verschwinden.“ 

Sie sind nach US-Lesart kein Weißer, sondern Hispanic, also auch „Opfer“ des „strukturellen Rassismus“ – und damit doch Profiteur der Entwicklung. 

Gonzalez: Das stimmt, und ich könnte mir mit Verweis auf meine Abstammung in der Tat etliche Vorteile verschaffen. Aber meine Eltern kamen einst völlig mittellos aus Mexiko, erfuhren hier jedoch keine systemische Unterdrückung, sondern die Chance, es zu etwas zu bringen. Die gleiche Erfahrung habe ich gemacht und Rassismus hier mein Leben lang so gut wie nicht erlebt. Und ich kenne auch niemanden, der das hat. Bis mir vor ein paar Jahren gesagt wurde, ich könne meine Unterdrückung nur nicht erkennen, da der strukturelle Rassismus verhindere, daß ich mir dessen bewußt werde. Aber das ist eine wahnsinnige Ideologie, die sich immer brutaler radikalisiert – und Amerika ein gutes Land, das davor bewahrt werden sollte! 






Pedro Gonzalez, der Journalist und Autor ist Redakteur des Online-Magazins „American Greatness“ mit Sitz in New York. Geboren wurde der Politologe 1990 im kalifornischen San Diego.

Foto: „Black Lives Matter“-Proteste am Samstag – in Portland, USA, (o.) und am Rand des von Beamten gesicherten Opernplatzes in Frankfurt, Schauplatz von Gewalt gegen Polizisten eine Woche zuvor (r.): „Dies steigert die Aggression“

 

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