© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Die Probleme nehmen zu
Sicherheit: Ob Stuttgart, Frankfurt oder Köln – vielerorts eskaliert die Gewalt
Björn Harms

Eigentlich wollte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) doch nur Verständnis für das Anliegen der jungen Menschen auf dem Frankfurter Opernplatz zeigen – das jedoch ging gründlich nach hinten los. Rund hundert Demonstranten hatten sich in der Nacht zum Sonntag an jenem Ort eingefunden, an dem eine Woche zuvor Dutzende Männer, zumeist junge Migranten, Polizisten mit Flaschen beworfen und den Platz verwüstet hatten. Doch nicht etwa gegen die Gewalt wurde nun auf dem Opernplatz protestiert. 

Die Jugendlichen beklagten, in den vergangenen Tagen vermehrt von der Polizei schikaniert worden zu sein – allein aufgrund ihres Aussehens. Der Oberbürgermeister ergriff ein Mikrofon, um sich mit den Demonstranten zu solidarisieren. Er lobte deren Engagement gegen Rassismus und stimmte mehrfach die falsche Parole „Black Live matters“ an (richtig: „Black Lives Matter“). Niemand unterstützte ihn. Auch für seine Rede erhielt er keinen Applaus – ganz im Gegenteil. Die Stimmung kippte, Feldmann wurde ausgebuht und mußte in Polizeibegleitung aus dem Pulk hinausgeführt werden. „Ich habe mich ganz bewußt dazu entschieden, auf die jungen Menschen zuzugehen und ihnen zuzuhören. Ich werde die Anliegen und den Unmut auch in künftigen Gesprächen mit der Landesregierung thematisieren“, ließ sich Feldmann nicht beirren.

Und während es in Frankfurt am Wochenende ruhig blieb – auch weil die Polizei den Bereich seit den Randalen in der Nacht zum 19. Juli, bei denen 39 Krawallmacher vorrübergehend festgenommen wurden, konsequenter überwachte –, kam es in Köln zu weiteren Ausschreitungen. Eine 150köpfige Personengruppe von Jugendlichen feierte lautstark im Stadtteil Deutz, bis die Polizei anrückte. „Aus der Gruppe heraus beleidigten einige die Einsatzkräfte in Fäkalsprache und bewarfen sie mit Flaschen“, teilte die Polizei am Sonntag mit. Zur Herkunft oder Nationalität der aggressiven Jugendlichen machte die Polizei keine Angaben.

Köln, zuvor Frankfurt und Stuttgart – die Randalemeldungen aus deutschen Städten wollen vorerst kein Ende nehmen. In der vergangenen Woche hatten sich der Tübinger Rathauschef Boris Palmer (Grüne) sowie die Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold (CDU), und von Schorndorf, Matthias Klopfer (SPD), in einem Brandbrief an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) gewandt.

Ministerpräsidentin Dreyer fordert zur Deeskalation auf

„Unter den Geflüchteten gibt es eine kleine Gruppe gewaltbereiter junger Männer, die eine starke Dominanz im öffentlichen Raum ausüben und weit überdurchschnittlich an schweren Straftaten insbesondere der sexuellen Gewalt und Körperverletzung beteiligt sind“, heißt es in dem Brief. Zudem beklagten sie die „zunehmende Aggressivität und Respektlosigkeit von Gruppen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unseren Städten“. Das sei nicht erst seit Stuttgart ein Problem. 

Am vergangenen Freitag war bekanntgeworden, daß deutlich mehr Verdächtige der Stuttgarter Krawallnacht ausländische Wurzeln haben als bislang bekannt. Von den 50 Personen, gegen die die Polizei derzeit ermittelt, weisen rund 80 Prozent einen Migrationshintergrund auf, berichtet die FAZ unter Berufung auf eine polizeiinterne Auswertung. Die Hälfte davon habe keine deutsche Staatsbürgerschaft. 60 Prozent seien bereits polizeibekannt gewesen. 

In den sozialen Netzwerken wird derweil der Unmut lauter, nicht erst, seit der Stuttgarter Polizeipräsident Frank Lutz im Zuge der Ermittlungen das Wort „Partyszene“ ins Gespräch gebracht hatte. „Der zynische Begriff der ‘Party- und Eventszene’ ist bereits zum Synonym für die migrationsbedingte Erosion der inneren Sicherheit in Deutschland geworden“, meint der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland. „Die Krawallnächte in Stuttgart und Frankfurt haben in größerer Dimension der Öffentlichkeit vor Augen geführt, was in Deutschlands Großstädten seit Jahren im kleinen mehr und mehr zum Alltag wird: rechtsfreie Räume und Polizei in der Defensive – ohne politische Rückendeckung.“

Rückendeckung für die Beamten hatte auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer vermissen lassen, als sie jüngst mit einem Rat an die Polizei für Irritationen sorgte. Es ginge ja vor allem um eine Gruppe von Personen, die unzufrieden seien, weil sie wegen der Corona-Maßnahmen nicht feiern könnten, sagte Dreyer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Polizei solle „den Weg der Deeskalation gehen“. Da habe sich „Frust angestaut und auch Haß auf Behörden und die sogenannte Obrigkeit“.

„Ich glaube, ich spinne“, antwortete der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Speyer, Johannes Steiniger, auf Twitter. „Als ob die Polizisten Flaschen geworfen und Innenstädte auseinandergenommen hätten.“ Es dürfe nicht sein, daß der Staat „bei normalen, kritischen Bürgern eine übertriebene Null-Toleranz-Strategie“ zeige, bei jenen aber, die den Staat verachten und seine Repräsentanten attackieren, mit Deeskalation reagiere und dadurch die Probleme noch verschlimmere, beklagte auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Hess gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.