© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Streit um Kalbitz-Aus
AfD: Bundesschiedsgericht bestätigt Ausschluß von Andreas Kalbitz / Junge Alternative vor Zerreißprobe
Christian Vollradt

Als „komplett inakzeptabel“ wies der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen die Kritik am Bundesschiedsgericht zurück. Das höchste Parteigericht hatte am vergangenen Samstag in Stuttgart den Beschluß des Bundesvorstands bestätigt und die Parteimitgliedschaft von Andreas Kalbitz für nichtig erklärt. Dessen Anträge auf Verbleib in der AfD wurden mit dem Urteil der ehrenamtlich tätigen Juristen zurückgewiesen. Wie die Mehrheit des Bundesvorstands sahen auch sie mehrheitlich, daß Kalbitz die AfD bei seinem Beitritt getäuscht habe, indem er etwa seine frühere Mitgliedschaft bei den Republikanern nicht erwähnt hatte. Zudem wird ihm eine langjährige Verstrickung ins rechtsextreme Milieu, etwa in der mittlerweile verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend, vorgehalten. 

Kalbitz befindet sich bezüglich seiner Mitgliedschaft seit Mitte Mai also in einer Art Drehtür: erst draußen, dann nach erfolgreichem Rechtsschutz durch das Landgericht Berlin zunächst wieder drin, nun aber wieder draußen. Doch wer meinte, mit dem Urteil vom Wochenende sei zumindest vorläufig ein Schlußstrich unter die leidige Personalie gezogen worden, irrte gewaltig. Der Brandenburger selbst äußerte sich nach dem für ihn negativen Richterspruch recht zurückhaltend und kündigte an, nach Vorlage der schriftlichen Urteilsbegründung vor einem ordentlichen Gericht gegen den Entscheid zu klagen. Dem Verfahren sehe er „sehr zuversichtlich entgegen“. 

Gauland kritisiert Urteil des Bundesschiedsgerichts

Mit heftiger Kritik am Urteil des Bundesschiedsgerichts hatte sich zuerst Kalbitz-Mitstreiter Björn Höcke gemeldet. Er warf den Richtern „Willkür“ vor und daß sie ein politisches Urteil gesprochen hätten. Doch außer einem mehr oder minder vernehmlichen Grummeln in den sozialen Netzwerken des früheren „Flügels“ blieb laute Empörung über die Bestätigung des Ausschlusses von Kalbitz aus. 

Um so empörter reagierten Meuthen und seine Mitstreiter auf die Äußerungen des AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alexander Gauland. „Leider“, so hatte er gegenüber der Welt gesagt, sei es „um die Parteigerichtsbarkeit nicht gut bestellt“. Daher werde er sich, so der Ehrenvorsitzende der AfD, „in diesem Fall einzig und allein nach den Entscheidungen und Urteilen der ordentlichen Gerichtsbarkeit richten“. Beim Bundesschiedsgericht gehe es seiner Meinung nach „offensichtlich um bestimmte politische Interessen, die hier aber nichts zu suchen haben dürfen“.

Mit seiner Kritik stellte sich Gauland nicht nur gegen das höchste juristische Gremium der AfD, sondern auch gegen den einstimmig beschlossenen Rundbrief des Bundesvorstands an die Mitglieder der Partei. Darin heißt es unter anderem: „Als höchstes gewähltes Gremium der Partei ist das Bundesschiedsgericht zuständig, solche Angelegenheiten zu entscheiden.“ Daher sei es genau wie seine Entscheidungen „zu respektieren, auch um den Parteifrieden zu wahren“. Die vom Parteitag gewählten Richter entschieden „rechtlich, nicht politisch“. Deswegen weise der Bundesvorstand „unsachliche Kritik am Bundesschiedsgericht in aller Deutlichkeit zurück“, so der von beiden Vorsitzenden, Meuthen und Tino Chrupalla, unterschriebene Rundbrief an die Parteimitglieder. 

Wie bei der AfD im großen, geht es bei ihrer Jugendorganisation Junge Alternative (JA) im kleinen zu. Hier scheint man indes schon einen Schritt weiter zu sein – und die Entscheidungsschlacht zu suchen. Hintergrund ist der angekündigte Rückzug des Noch-Vorsitzenden Damian Lohr. Der Landtagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz hatte in einem Schreiben an seine JA-Kollegen mitgeteilt, sein Amt beim nächsten Bundeskongreß zur Verfügung zu stellen. Die einen sähen in ihm „eine Marionette des Verfassungsschutzes“, die anderen kritisierten ihn als „bösen Flügler“. Sein Bemühen um Ausgleich innerhalb der JA sei gescheitert.

Auslöser für seine Entscheidung war allerdings ein Vorgang, bei dem ihm eine Mehrheit des Bundesvorstands nicht folgen wollte. So hat die JA Südbaden für Mitte August zu einer „Badischen Runde“ in Donaueschingen geladen, bei der als Referent auch Reimond Hoffmann auftreten soll. Der frühere stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Alternative Baden-Württemberg war nur durch einen Austritt seinem Rauswurf aus der AfD-Jugendorganisation zuvorgekommen. Ihm war unter anderem eine zu große Nähe zur Identitären Bewegung vorgeworfen worden, gegenüber der es einen Unvereinbarkeitsbeschluß der JA gibt. Daß der restliche Bundesvorstand seinen Wunsch, die Einladung Hoffmanns zu sanktionieren, nicht unterstützte, sende daher politisch falsche Signale aus, „für die ich den Kopf nicht hinhalten werde“, schrieb Lohr. 

Ein interessantes Detail am Rande: Ein weiterer Referent der Veranstaltung ist ausgerechnet  Andreas Kalbitz. Kalbitz war im Bundesvorstand für die Beziehungspflege zur Jugendorganisation zuständig. Mit seiner jugendlich-lockeren Art kam er bei vielen im Parteinachwuchs an. Im gemäßigt-konservativen Lager sieht man nun die Notwendigkeit, ein Umkippen der JA in eine „reine Flügel-Jugend“ zu verhindern, wie dies ein führendes Mitglied der Organisation beschreibt. 

Als erster möglicher Lohr-Nachfolger hat der 26jährige Jonas Dünzel aus Sachsen seinen Hut in den Ring geworfen. Daß die JA vor einer internen „Zerreißprobe“ stehe, verhehlte dieser nicht. Die „Selbstlähmung“ sei durch „machtpolitische Einmischungen interessierter Kräfte“ herbeigeführt worden, was offenbar auch auf das Agieren Kalbitz’ anspielt. Er halte es für einen Irrglauben, „daß eine komplette Beobachtung von AfD und JA nicht zu verhindern sei“. In die eigenen Reihen fordert er auf, „unnötige Angriffsfläche zu vermeiden und eine Verpöbelung unserer Mitglieder abzuwenden“.