© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Meldungen

Streit um Paritätsgesetz in Thüringen geht weiter

ERFURT. Vertreter von Linken und Grünen im Thüringer Landtag haben angekündigt, am Paritätsgesetz festzuhalten. Falls nötig, zögen sie vor das Bundesverfassungsgericht, teilte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, mit. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof in Weimar hatte Mitte Juli das Gesetz mit sechs zu drei Stimmen für verfassungswidrig und daher nichtig erklärt. Es sah vor, daß bei künftigen Wahlen die Landeslisten der Parteien abwechselnd mit Männern und Frauen zu besetzen sind. Gegen das Paritätsgesetz hatte die Fraktion der AfD im Landtag von Erfurt eine Normenkontrollklage eingereicht. Der Verfahrensbevollmächtigte der AfD, der Staatsrechtler Dietrich Murswiek, sieht dem Vorhaben von Linken und Grünen gelassen entgegen: „Die Linken und Grünen, die jetzt erwägen, den Fall vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen, können das ja versuchen“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „Sie werden sich dann schwer blamieren. Ihre Klage würde mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit schon als unzulässig abgewiesen werden.“ Ein neuer Anlauf hätte nur eine Chance, vom Verfassungsgerichtshof akzeptiert zu werden, „wenn zuvor die Verfassung geändert würde“. Die Richter hatten in ihrem Urteil moniert, das Gesetz beeinträchtige das Recht auf Freiheit und Gleichheit der Wahl. Ob ein Landtag mehr Frauen oder mehr Männer enthalten soll, müsse den Wählern überlassen bleiben. Mit seinen Bestimmungen für eine Quotierung durch abwechselnd nach Geschlecht zu besetzende Listenplätze schränke das Paritätsgesetz zudem die Entscheidungsfreiheit der Parteimitglieder unzulässig ein. Thüringen ist das erste Bundesland, in dem eine solche juristische Grundsatzentscheidung getroffen wurde. Sie könnte sich als Präzedenzfall erweisen. So liegen unter anderem auch Klagen gegen das Paritätsgesetz in Brandenburg vor. Murswiek sprach gegenüber der JF von einem „wichtigen Erfolg“, der als „erstes verfassungsgerichtliches Urteil zu einem Paritätsgesetz eine Leitfunktion hat“. Dennoch befriedige ihn die Begründung des Verfassungsgerichtshofs nur teilweise. „Ich hätte mir ein Urteil gewünscht, welches klarstellt, daß auch durch Verfassungsänderung die Besetzung der Landeslisten abwechselnd mit Frauen und Männern nicht vorgeschrieben werden darf.“ Denn diese Regelung verletze „den fundamentalen Grundsatz, daß alle Staatsbürger, ob männlich oder weiblich, strikt gleich zu behandeln sind, sowie den Grundsatz, daß die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, nicht von zwei separaten Gruppen.“ (zit/vo/ha)