© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Unterschlupf auf Staatskosten
Die Antifa und ihre Rückzugsräume: Die Autonomen-Zentren sind Kinder einer willfährigen SPD-Politik – und nützlich zur Behinderung politischer Konkurrenz
Siegfried Übach

Die Themen „Linksextremismus“ und „Antifaschismus“ sind blinde Flecken der wissenschaftlichen Forschung. Während es unzählige Publikationen über radikale Rechte, alte Rechte, neue Rechte und irgendwie Rechte gibt, ist die Ausbeute mit Blick auf die Linke bescheiden. Ein wenig Pflichtarbeit des Verfassungsschutzes, einige wenige akademische Untersuchungen. Der Rest besteht aus Presseartikeln, die meist das Thema nur in aller Kürze anreißen.

Während sich zahlreiche politikwissenschaftliche Seminare kritisch der politischen Rechten widmen, existieren beim Thema Linksextremismus so gut wie keine Lehraufträge, keine Stiftungsprofessuren, keine Förderprojekte oder spezifischen Arbeitskreise.

Meist bleibt nur der Blick auf die Finanzen. Woher kommt heute das Geld für „die Antifa“? Die Frage zielt auf den springenden Punkt. Würde morgen den linksradikalen Gruppen der öffentliche Geldhahn zugedreht, würde morgen konsequent strafrechtlich verfolgt, gäbe es sie übermorgen allenfalls noch als irrelevante Kleingruppen. Doch an einer solchen Entwicklung besteht kein Interesse von seiten der politischen und ökonomischen Profiteure im dominierenden Establishment, für die „antifaschistische“ Gruppen nützlich zur Behinderung politischer Gegner sind.

Selbstverwaltete Zentren mit multifunktionaler Nutzung

Ein immer wiederkehrendes konservatives Narrativ ist dabei, daß Linksradikale nichts arbeiten, kein Geld verdienen. In dieser Vorstellungswelt findet im Zuge von Arbeit eine Art geistige Erweckung statt. Wer arbeitet, wer Geld verdient, wird konservativ. Folglich können Linksradikale nur von staatlicher Hilfe leben.

Daß sie womöglich durch Studentenjobs ihre Universitätszeit finanzieren, Azubi-Gehälter kassieren oder familiär unterstützt werden, sich also womöglich gar nicht eklatant von anderen Leuten ihrer Altersklasse unterscheiden, wird in solchem Kontext leicht übersehen. Der Berliner CDU-Abgeordnete Kurt Wansner erkundigte sich 2017 in einer parlamentarischen Anfrage nach privaten staatlichen Transferleistungen der Bewohner des berüchtigten Berliner Anwesens Rigaer Straße 94 im Stadtteil Friedrichshain. Erwartungsgemäß gab die Berliner Senatsverwaltung schon aus Gründen der undurchsichtigen Strukturen in solchen Zentren darauf nur eine nichtssagende Antwort; vermutlich wollte sie auch gar nicht mehr mitteilen.

Derartige Denkmuster übersehen, daß Linksradikale bestens in ein breites Unterstützerumfeld integriert sind. Häufig studieren sie Pädagogik und Gesellschaftswissenschaften, woraus sich vielfältige, teils gutdotierte Berufsperspektiven ergeben. Nicht nur als Lehrer oder Pädagogen in sozialen Einrichtungen, auch im Bereich der Universitäten als Dozenten und Professoren. Zudem haben linke Parteien einen Bedarf an parlamentarischen Mitarbeitern. Und zur Not stehen immer noch die DGB-Gewerkschaften für viele Jobs ohne Berührungsängste zur Verfügung.


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Die „selbstverwalteten“ städtischen Zentren der linksradikalen Szene werden multifunktional genutzt. Sie dienen nicht nur als Treffpunkt befreundeter linksradikaler Gruppen und gewaltbereiter Straftäter oder als Wohnprojekt, sondern in ihnen finden sich auch kulturelle Nutzungen. Diese müssen nicht zwangsläufig direkt politischer Natur sein, sofern sie nicht der linken Agenda widersprechen, sind aber als Angebot für das weniger engagierte Sympathisantenumfeld der Zentren zu verstehen. Es kommt zu Kunstaktionen, diversen Kursen, Tanzabenden. Gerade die Musikveranstaltungen jenseits der engen Grenzen „autonomer“ Polit-Kultur dienen als finanzielle Einnahmequelle.

Die großen Zentren des deutschen Linksradikalismus sind Kinder der SPD-Politik, denn die Muster der Entstehung und Finanzierung ähneln sich. Oft wurden öffentliche Liegenschaften unter SPD-Stadtregierungen ganz bewußt Linksradikalen oder „Alternativen“ überlassen. Erst offiziell temporär, dann oft dauerhaft.

So zum Beispiel bei der Hamburger „Roten Flora“. 1989 bot die rot-gelb geführte Stadt Hamburg diversen „alternativen“ Initiativen einen sechswöchigen Vertrag zur kulturellen Nutzung an, der dann von den Initiativen bald darauf eigenmächtig ins Unendliche verlängert wurde. Das Zentrum wurde als „besetzt“ erklärt. Gelegentliche Räumungsdrohungen wurden seitens der Stadt nie realisiert. Dabei spielte die Angst vor dem Gewaltpotential der linken Aktivisten eine große Rolle. Finanziert wurde das Zentrum in den ersten Jahren über Konzertveranstaltungen. Zwar entrichtete man aufgrund des Besetzungsstatus keine Miete, mußte aber Rechnungen für Wasser, Strom, Gas und Müllentsorgung begleichen. Da Musikabende, trotz vieler prominenter Auftritte, auch schlecht laufen konnten, somit die Finanzierung stets unsicher war, wurde 1993 ein Förderverein ins Leben gerufen, um regelmäßige Unterstützungsgelder zu akquirieren. Crowdfunding fand beispielsweise auch durch den Fußballverein FC St. Pauli statt. Bezahlte Stellen im Rahmen des Zentrums waren nicht vorgesehen, die Arbeiten wurden fast ausschließlich ehrenamtlich übernommen.

Keine Miete zu zahlen ist vertraglich abgemacht

„Conne Island“ in Leipzig entstand 1991 auf dem Gelände des ehemaligen Ausflugslokals „Eiskeller“. Die SPD-geführte Stadtregierung überließ einem Projektverein das Gelände vertraglich zur Verwendung als selbstverwaltetes Kulturzentrum. Zudem wurde eine finanzielle Förderung durch die Stadt festgeschrieben. Ab 1996 beobachtete der Verfassungsschutz das Objekt. Das Finanzamt entzog dem Zentrum 1999 die Gemeinnützigkeit, da auf Veranstaltungen eine zusätzlich zu entrichtende „Antifamark“ erhoben worden war. Kündigungsdrohungen setzte die Stadt nie um. Auch die finanzielle Förderung durch das Kulturamt wurde nicht gestrichen. Statt dessen mußten sich in einem neuen Nutzungsvertrag die Betreiber zu einer Deeskalierung verpflichten.

Das Muster setzt sich auch in kleineren Städten fort. Das „Bunte Haus“ in Celle, in dem regelmäßig „antifaschistische“ Veranstaltungen stattfinden, hatte in der Vergangenheit zahlreiche Zuschüsse von der „Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur“ erhalten. Das ist ein Zusammenschluß von 110 Kulturzentren, der wiederum vom Land Niedersachsen gefördert wird.

Das seit den 1980er Jahren bestehende „JuZi“ in Göttingen wird von der rot-grün regierten Stadt mit 101.000 Euro gefördert. Das Zentrum fordert zum Mitmachen auf, „wenn du kein Nazi/Burschi/Rassist/SexistIn bist“.

Das „KTS“ („Kulturtreff in Selbstverwaltung“) gilt als das zentrale linksradikale Zentrum in Freiburg. Es hatte sein erstes Domizil in einem besetzten aufgelassenen Kasernengebäude. Nach der Räumung wurde mit Hilfe der Stadt 1998 eine neue Unterkunft befristet in einem leerstehenden Gebäude der Bahn gefunden. Der Vertrag zwischen der Bahn, der Stadt Freiburg und dem „Förderverein Subkultur“ wurde schließlich 2008 unbefristet erneuert. Trotz Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg und einer 2017 erfolgten Hausdurchsuchung mit Waffenfunden wird das Zentrum mit über 200.000 Euro jährlich von der Stadt gefördert.

In Frankfurt am Main existieren gleich mehrere von Linksradikalen genutzte Zentren. Die „Au“ ist seit den 1980er Jahren ein besetztes städtisches Haus. Dieses wird nicht von der Stadt geräumt, obwohl das große Grundstück für dringend benötigten Wohnungsbau ideal wäre. Die CDU ist aus Koalitionszwängen gegenüber den Grünen gegen eine Räumung. Die Förderung erfolgt also bereits über die Duldung.

Das „Klapperfeld“ direkt an der Einkaufsmeile Zeil wird inhaltlich von der Initiative „Faites votre jeu!“ gestaltet, die wiederum den „Kunst- und Kulturverein Ostzeil“ als Trägerverein gegründet hat. Mit seinen 5.000 Quadratmetern gilt es als eines der größten „selbstverwalteten“ Zentren im deutschsprachigen Raum. Trotz Erwähnung im hessischen Verfassungsschutzbericht als „bedeutendster autonomer Treffpunkt in Hessen“ erklärte der Fraktionsvorsitzende der städtischen Grünen: „Wir brauchen alternative Kulturzentren wie das Klapperfeld, die Initiative macht dort eine gute Arbeit.“ Und Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) lobte, das Gebäude habe sich „zu einem öffentlichen Kulturzentrum und Gedenkort entwickelt“, dessen Ausstellungen sogar von Schulklassen besucht würden.

FDP-Anfragen ergaben, daß laut Vertrag mit der Stadt für das gesamte Gebäude keine Miete gezahlt werden muß. Von den jährlich anfallenden Nebenkosten von 24.000 Euro muß die Initiative nur 3.000 Euro selbst zahlen.

Bedingungen, von denen die meisten Bürger der Stadt sowie viele Gewerbetreibende nur träumen können.

Forschungsgruppe Extremismus und Militanz (FGEM): http://fgem.de





Antifa – Gewalt mit Geschichte

Die Antifa war ein stalinistisches Projekt, mit dem seit den Zeiten der Weimarer Republik potentielle Bündnispartner über ein gemeinsames Feindbild rekrutiert werden sollten. Die von Moskau gesteuerte KPD rief am 10. Juli 1932 in Berlin die Antifaschistische Aktion aus, der sich die auf Stalins Geheiß von der KPD bitter bekämpfte SPD nicht anschloß.

In der Bundesrepublik übernahm nach dem KPD-Verbot 1956 vor allem die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) die Rolle einer kommunistischen Vorfeldorganisation. Die Bezahlung erfolgte zu großen Teilen durch das SED-Regime in Ost-Berlin.

Im Nachgang der 68er-Revolte kam es zu Veränderungen. Straff organisierte kommunistische K-Gruppen traten Anfang der 1970er Jahre in Konkurrenz zur marxistischen Orthodoxie, begannen, das Logo der Antifaschistischen Aktion aus den Dreißigern wieder zu verwenden und schufen einen militanten Straßen-„Antifaschismus“, der sich zunehmend gewaltsam gegen rechtsgerichtete Gruppen richtete. In den 1980er Jahren bildete sich nach dem Zerfall der K-Gruppen der „autonome Antifaschismus“ heraus, der in seiner Organisationsstruktur heute noch das linksradikale Lager dominiert. Lokale, anarchistisch beeinflußte Kleingruppen agieren von ihren städtischen Zentren aus.

Die nationale und internationale Vernetzung mit anderen Gruppen erfolgt heute über diverse linksradikale Netzseiten, die manchmal nur temporären, auf ein Ereignis begrenzten Charakter haben, manchmal aber auch feste Institutionen zur Verbreitung von Aufrufen oder kriminellen Bekennerschreiben darstellen, zum Beispiel das Portal „indymedia“. Aktionen werden in der Regel im Rahmen der agierenden Gruppe und anonym ausgeführt. Dabei ist zwischen der Straßenrandale und klandestinen Straftaten, oft gegen rechtsgerichtete Einzelpersonen wie zuletzt gehäuft aus der AfD, zu unterscheiden. (süb)





Zahlen

25 Prozent

Laut jüngstem Bundesverfassungsschutzbericht gilt mehr als jeder vierte Linksextremist in Deutschland als gewaltorientiert.

Mehr Gewaltorientierte

Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten hat gegenüber 2018 zugenommen: 2019 registrierte der Verfassungsschutz 9.200 Personen, davon 7.400 Autonome sowie etwa 900 Anarchisten. 

Zulauf

Auf 33.500 schätzt das Amt die Zahl Linksextremer. Im Vergleich zu 2018 eine Zunahme um 4,7 Prozent.

Lose organisiert

Die Antifa (kurz für „Antifaschistische Aktion“) ist keine klar definierte Organisation, kein Verein mit Mitgliederlisten, kein Bund, keine strukturell verfestigte Gruppierung. Einigendes Band ist die unbedingte Bereitschaft zu schweren Straftaten und Gewalt als Kampfmittel gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und überhaupt die Verneinung des Bestehenden.