© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Corona stoppt Gender Studies
Universitätsausbildung: Die Regierung von Premier Boris Johnson will keine Blankoschecks an die Universitäten ausstellen – Mathe statt Sozialwissenschaft
Tobias Albert

In der anglo-amerikanischen Welt sind Universitäten immer auch Unternehmen, denn Studiengebühren von oft über 10.000 Euro pro Jahr machen Bildung zu einem lukrativen Geschäft. Daher wird jeder Studienplatz zu einem knallharten Wirtschaftsfaktor, wie kürzlich Professor Gerd Schröder-Turk erfahren mußte, als er seine australische Universität dafür kritisierte, aus Geldgier auch ungeeignete Studienanfänger aufzunehmen.

Auch die Universitäten leiden finanziell unter den Folgen von Corona, denn das Virus rollt die Globalisierung in vielen Bereichen zurück, so daß der Rückgang an internationalen Studenten die britischen Universitäten bis zu vier Milliarden Pfund kosten könnte. Den Gesamtverlust durch Corona schätzt das Institute for Fiscal Studies auf elf Milliarden Pfund, so daß Finanzhilfen durch den Staat nötig seien, um einige Hochschulen vor dem Bankrott zu retten.

Kein Geld für „Aktivismus und Kampagnen“

Doch die Regierung von Premier Boris Johnson stellt keine Blankoschecks an die Universitäten aus. Im Bericht „Establishment of a Higher Education Restructuring Regime in Response to Covid-19“ des Department for Education veröffentlichte die Regierung im Juli, unter welchen Bedingungen Hochschulen geholfen werden: Sie sollen sich auf Fächer konzentrieren, die gute Arbeitsmöglichkeiten bieten, wobei unter anderem die naturwissenschaftlich-technischen Fächer genannt werden. Ebenso wird erwartet, daß Studiengänge mit schlechten Berufsaussichten kritisch evaluiert werden und daß akademische Freiheit und freie Rede von den Hochschulen geschützt werden.

Besonders pikant in Zeiten von „Black Lives Matter“ ist die Forderung, daß das Budget der Student Unions (den britischen Pendants zum AStA) genutzt werden solle, um der Mehrheit der Studenten zu dienen, anstatt „Aktivismus und Kampagnen“ zu finanzieren. Daß durch die Fokussierung auf arbeitsmarktrelevante Studiengänge die klassisch linkslastigen Fächer wie Gender Studies und Soziologie leiden dürften, wird dem studentischen Aktivismus vermutlich ebenfalls schaden.

Australien: Grüne wittern „Angriff auf Frauen“ 

Großbritannien scheint dem Beispiel von Australien zu folgen, das schon im Juni ein Maßnahmenpaket für die Corona-Folgen ankündigte. Um die Jugendarbeitslosigkeit von bereits 16 Prozent zu bekämpfen, will Bildungsminister Dan Tehan in den nächsten drei Jahren 39.000 zusätzliche Studienplätze schaffen. Im Gegenzug sollen geänderte Studiengebühren die Studenten dazu verleiten, Fächer mit guten Berufsaussichten zu studieren. Daher fallen die Studiengebühren für Mathematik und Agrarwirtschaft um 62 Prozent, die für Sozial- und Kommunikationswissenschaften werden jedoch mehr als verdoppelt.

Auch hier sind klassisch linksdominierte Fächer Leidtragende, so daß sich bereits Widerstand äußerte. Mehreen Faruqi, Senatorin der australischen Grünen, bezeichnete dies im Guardian als „Angriff auf Frauen“, weil Fächer verteuert werden, die mehrheitlich von Frauen studiert werden. Kaum kritisiert wird jedoch, wie weit sich diese Bildungswirtschaft von Humboldts Ideal der „Bildung als Selbstzweck“ entfernt hat.