© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Madrids Jungs fürs Grobe
Legión Española: Mit dem inoffiziellen Schlachtruf „Viva la muerte“ dem Gegner zu verstehen geben, wie wenig Wert man auf das eigene Überleben legt
Jörg Sobolewski

Das Bild des Legionärs mit weitgeöffnetem Hemd über der muskulösen Brust hatte es ihr angetan: „Hallo Spanien, ihr setzt jetzt diese Soldaten ein, um das Coronavirus zu bekämpfen, könntet ihr vielleicht auch ein paar von denen hier nach New York City schicken? Wir werden auch alle Befehle befolgen!“ twitterte die US-Feministin Jill Filipovic in einem amüsanten, vielleicht auch etwas beschwipsten Ton und die nächste halbe Stunde ergötzten sich ihre Abonnentinnen an immer neuen Fotos von Mitgliedern dieser ebenso geheimnisvollen wie schlagkräftigen Einheit des spanischen Militärs.

Wie es aber mittlerweile Brauch bei eigentlich harmlosen Scherzen ist, folgte das politisch-korrekte Scharfgericht auf dem Fuße. Ob sie denn nicht wisse, daß diese Einheit während der Herrschaft Francos „unzählige Demokraten ermordet habe“, und überhaupt brauche man „gegen die Epidemie keine Soldaten“. 

Da war das Kind schon in den Brunnen gefallen, das Szeneportal „Know ­your meme“ urteilte gar besonders scharf: „Sei vorsichtig, was du auf Twitter tust, sonst himmelst du noch einen Nazi an!“ 

Der Vater der Legion lobbyierte beim König

Wie üblich ist auch hier die Empörung der Twitter-Schickeria ein Grund, sich den Auslöser der Empörung genauer anzuschauen. Denn die Spanische Legion, deren Gründungsjahr sich 2020 zum hundertsten Mal jährt, hat tatsächlich eine ebenso interessante wie teilweise surreale Geschichte. Und die hängt unmittelbar mit dem Mann zusammen, der sie am 28. Januar 1920 aus der Wiege hob: José Millán Astray.

Er war ein überzeugter und begeisterter Soldat, der gegen den Wunsch seines Vaters schon mit sechzehn Jahren Leutnant wurde und danach regelrecht darum bettelte, auf jeden Kriegsschauplatz des taumelnden spanischen Weltreichs – von den Philippinen bis nach Marokko – entsandt zu werden. Ein Mann, der früher als andere spanische Offiziere den Vorteil einer Fremdenlegion erkannte. Eine Truppe, die aus allen möglichen Ländern, Sprachen, Kulturen zusammengeschmiedet wird, kann nur einen starken Korpsgeist entwickeln – oder sie fliegt auseinander.

Also lobbyierte Astray bei Hof und Regierung von König Alfonso XIII. für die Aufstellung einer solchen Legion. Stationiert in den spanischen Exklaven an der Küste Afrikas, sollte sie vor allem den Rifkrieg gegen die aufständischen Marokkaner gewinnen. Eine ebenso brutal geführte wie unübersichtliche Auseinandersetzung, in der sich die beiden Kriegsparteien nichts schenkten. 

Giftgas und Flächenbombardements auf spanischer, massenhafte Verstümmelungen und grausame Vergeltung an Zivilisten auf der Seite der sogenannten Rifkabylen, einer Allianz aus Berberstämmen aus dem gebirgigen Hinterland der Kolonie. 

In diesem brutalen Umfeld bewährte sich die Legion bei ihrer Feuertaufe. Nach einer katastrophalen Niederlage der regulären Besatzungstruppen hielt die junge Legion 1921 überlegene feindliche Kräfte vor der zur Festung ausgebauten Stadt Melilla auf.

Als die unter der Führung des späteren Oberbefehlshabers und Diktators Francisco Franco herbeigeeilten Legionäre zum Gegenangriff übergingen, fanden Sie ein Horrorkabinett aller möglichen Grausamkeiten vor. Die Aufständischen hatten den Toten Gliedmaßen abgeschnitten, um verstörende Bilder zu formen. In diesem Wahnsinn aus Tod und Verwüstung erkannte Astray, daß nur ein Kult um den Tod selber in dieser neuen Zeit aus alter Grausamkeit und neuer, mechanischer Vernichtung seiner bunt zusammengewürfelten Truppe aus aller Herren Länder genug Mut und Sinn verleihen konnte. Astray machte aus jedem Legionär einen „Bräutigam des Todes“, der als galanter „Caballero Legionario“ mit seinem Tod auf dem Schlachtfeld lediglich die „Ehe vollzieht“.

Treffend auch der inoffizielle Schlachtruf der Legion, der mit seinem „Viva la muerte“ dem Gegner sofort zu verstehen gibt, wie wenig Wert dieser Landsknechtshaufen auf das eigene Überleben legt. Die Verluste in den Anfangsjahren waren entsprechend hoch, doch als Kugeln den „Vater der Legion“ Astray eines Armes und eines Augapfels beraubten, wuchs die Legion noch um einen Reliquienkult an. Astrays Augapfel – ein Symbol für die Legion – wird bis heute im eigenen Museum aufbewahrt und zu besonderen Anlässen hervorgeholt. Wohl ein Unikum, selbst in der bisweilen blütenreichen Welt militärischer Traditionspflege. Nach dem Ausscheiden aus „seiner“ Legion erhielt Astray den Ehrentitel des „ruhmreichen Versehrten“, und bis heute wird sein Bildnis nahezu reliquiengleich verehrt. 

Aber die Legion wäre keine spanische Legion, wenn sie nicht auch in die erzkatholische Traditionspflege der Monarchie eingebunden wäre – und die katholische Kirche wäre nicht katholisch, hätte sie nicht auch für die Legion ein passendes kirchliches Patrozinium bereit. Seit der Zerstörung jahrhundertealter Klöster und Kirchen durch einen marodierenden republikanischen Mob im Jahr 1931, der mit einigen Todesopfern das Land bis ins Tiefste hinein traf, existiert die Schutzherrschaft des „Cristo de la Buena Muerte“, des „Heilands des guten Todes“.

Ein passender Schutzherr für die Legion, die seit 1941 am Gründonnerstag jedes Jahr eine Prozession in der Stadt Málaga anführt. Den gekreuzigten Heiland tragen die „Herren Legionäre“ durch die Straßen und Gassen der Stadt, und es würde niemandem im Traum einfallen, sie dabei tätlich anzugehen. Das wäre auch nicht ratsam, denn schließlich gilt die Legion, die seit dem Jahr 1987 nicht mehr als klassische „Fremdenlegion“ gelten kann, als die „harte Truppe“ des spanischen Heeres. Wo immer der moderne spanische Staat einen Bedarf nach einer harten Hand hat – ob in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, dem Irak oder in Afghanistan –, ist die Legion zur Stelle und macht Gott, König und Vaterland alle Ehre, so wie ihr Schwur es verlangt. 

Seit einer Gesetzesänderung in den 2000ern dürfen auch wieder Ausländer sich freiwillig zur Legion melden, sofern ihre Muttersprache Spanisch ist. Darin unterscheidet sich die Legion allerdings nicht mehr vom Rest der spanischen Streitkräfte, denn auch dort dient mittlerweile eine große Zahl an Latinos aus Südamerika. 

Der Legion geblieben sind einige einzigartige Vorrechte. Das Recht auf, auch großflächige, Tätowierungen etwa, die charakteristischen offenen Hemden und die Vorliebe zu einer ausladenden Barttracht. Auch bei der Wahl ihres Maskottchens hat die Legion Exzentrik bewiesen, ein Ziegenbock mit vergoldeten Hörnern marschiert inmitten seiner Kameraden.

Doch nicht nur in Äußerlichkeiten zeigt sich bis heute der einzigartige Korpsgeist, auch in ernsten Angelegenheiten bewahrt sich die Legion ihre Eigenart. Auf den Ruf „Zu mir die Legion“, der auf ihren Gründer zurückgeht, sind alle Legionäre in Hörweite zur Hilfe verpflichtet. Selbst Leichen werden nicht zurückgelassen, und ihr Marschschritt ist mit 140 bis 160 Schritten pro Minute wesentlich schneller als der regulärer spanischer Einheiten. 

Die Spanische Legion ist eine besondere Erscheinung der europäischen Militärgeschichte. Bei ihrer Geburt stand ein Krieg Pate, der viele Grausamkeiten des Ersten Weltkriegs in sich trug und einige des Zweiten Weltkriegs bereits ankündigte. In dieser Hölle aus Stahl, Gas, Feuer und Verstümmelungen konnte sich nur eine Einheit bewähren, die schon in ihrer Anlage dem Tod völlig gleichgültig gegenüberstand. Ihren Gründer ehrt sie ohnehin, aber ebenso auch König Alfonso XIII.

Die Legion war ein Kind des untergehenden spanischen Weltreichs in dem Abstammung von Nachrang war, wenn Kultur und Einstellung paßt. Bereits bei ihrer Aufstellung waren neben weißen, auch japanische, lateinamerikanische und arabische Freiwillige zugegen. Es zählte allein der überzeugte Einsatz des eigenen Lebens für die Legion. Ohne persönliche Vorgeschichte – das hat sie mit ihrer größeren und bekannteren französischen Schwester gemein.

Wie andere vergleichbare Formationen gehört auch die spanische Legion mit ihren 8.000 Mann zu den Speerspitzen des spanischen Heeres. Doch nicht nur in Madrid, auch im Nato-Hauptquartier gelten die Männer mit den offenen Hemden als enorm durchsetzungsstark. So gehörten Kämpfer der Legion zu den ersten spanischen Einheiten in Afghanistan und dem Irak. Momentan dient die Legion Seite an Seite mit bundesdeutschen Fallschirmjägern in Mali oder in diversen Uno-Mandaten rund um den Globus. Die kürzlich erfolgte Rückkehr einer Einheit Legionäre aus dem Libanon verdeutlichte, daß auch im spanischen Militär die sukzessive Rückkehr zu Vor-Corona-Zeiten bevorsteht. „Die Corona-Epidemie im Einsatz überstanden“ titelten spanische Zeitschriften und wünschten den beteiligten Soldaten „eine gesunde und friedliche Zeit mit ihren Familien.“

Ein frommer Wunsch für die Eliteeinheit der Legion, das „Bandera de Operaciones Especiales de la Legión“ (BOEL). Ähnlich dem bundesdeutschen KSK, sind die Einsätze dieser Legionäre geheimnisumwittert und werden von der spanischen Regierung nicht bestätigt. Die Männer mit dem lorbeerumkränzten Dolch auf dem grünen Barett gehören zum Besten, was das iberische Königreich zu bieten hat.