© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Dorn im Auge
Christian Dorn

Meine Ausbürgerung aus dem „Café in der Sowjetzone“ beschäftigt mich noch immer. Dabei reichte ein Anruf, den kleinen Laden wegen diverser Hygiene-Verstöße schließen zu lassen. Offenbar, so meine Phantasie, glaubt der Betreiber und Putin-Propagandist, der bis heute kein richtiges Deutsch kann, hier für den Kreml weitere russische Erde einzusammeln. So leisten auch die Berliner Verkehrsbetriebe durch ihren Beschluß, den U-Bahnhof Mohrenstraße in Glinkastraße umzubenennen, echte Pionierarbeit. Allerdings war ich selbst – angesichts ständiger Provokation mit der Kommunistenfaust – nicht um eine Reaktion verlegen, als ich den russischen Wirt eines Sonntags mit Familie auf dem Gehweg – einer unwillkürlichen Eingebung folgend – mit dem ebenso akzentuiert wie freundlich vorgetragenen Bekenntnis „Woina“ (Krieg) begrüßte, als jüngste Replik einer sich seit Jahren hinziehenden gegenseitigen Frotzelei. Geradezu filmreif folgte das Hausverbot kurz danach ausgerechnet an jenem Tag, als unter Putins Augen mit einer gigantischen Militärparade der „Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland“ gefeiert wurde. Gemäß Drehbuch wirkt auch der letzte Akt: mein Gedanke an einen großen, gleichzeitig lässigen Auftritt vor dem Café mit den demütigenden Worten „Graschdanin, eto Towarisch Durak!“ – Bürger, das ist der Genosse Dummkopf! 


Ähnlich dumm scheint die Linke Kroatiens, die in der jüngsten Wahl erneut gegen die Konservativen verlor, nachdem der linke Vertreter im TV-Duell so „blöd“ war, so die Frau des Gastwirts im „Café des Westsektors“, sich positiv über Tito und negativ über die Kirche zu äußern: „Das geht gar nicht – das wäre so, als wenn du in Deutschland gegen Schwule bist.“ Auf Inklusion setzt dagegen der Deutsche Künstlerbund, an dessen Schaufenstern die Plakate der Gruppenausstellung „ausgefallen? Kunst & Politik / Politik & Kunst“ angebracht sind. Zur Vernissage ist in salbungsvollen Worten von „Künstler innen“ und „Besucher innen“ die Rede – eine Künstlichkeit in der öffentlichen Rede, die automatisch an die DDR erinnert. Alles andere als „ausgefallen“ ist das Plakat Daniela Comanis „Ich war’s“ mit den fiktiven Tagebuch-Notaten der Kanzlerin. In der letzten Zeile fehlt noch der Tag der Vernissage: „9. Juli: Ich schaffe das doch nicht.“ Das prominenteste Motiv (von 2014) stammt derweil vom dezidiert „politischen“ Künstler Klaus Staeck. Es zeigt „Die apokalyptischen Reiter nach Albrecht Dürer“: Amazon, Apple, Google, Facebook. Mein Gedanke: Wo bleibt die Deutsch-Amerikanische Freundschaft? Tanz den APO-Calypso!