© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Warum ich?
Doku-Drama: Eine kleine Filmproduktion erinnert an die Schlacht um die Seelower Höhen
Tobias Dahlbrügge

Im April 1945 erreichen die Spitzen der Roten Armee das Oderbruch. Berlin liegt scheinbar zum Greifen nah: Nur noch 80 Kilometer trennen die Russen von der Reichshauptstadt. Doch dann entbrennt eine der heftigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs: An den Seelower Höhen werfen sich die letzten zusammengewürfelten Haufen der Wehrmacht der Armee von Marschall Georgi  Schukow in einem ebenso unerbittlichen wie aussichtslosen Verzweiflungskampf entgegen. Der Fallschirmjäger Wolf Dietrich Kroll ist damals siebzehn und erlebt die Hölle auf Erden. Wie durch ein Wunder kommt er lebend davon. Der heute über 90jährige steht im Mittelpunkt eines Dokumentarspielfilms über die damaligen Ereignisse: Im Herbst soll „Warum ich?“ erscheinen.

Der Berliner Filmemacher und Journalist Mario Nieswandt, der auch zum Team des Regionalsenders Seelow.TV gehört, hat die Geschichte als historisches Doku-Drama inszeniert. Die Dreharbeiten an den Originalschauplätzen in Neulangsow bei Seelow wurden soeben beendet, nun geht das Material in die Nachbearbeitung. Krolls Rolle übernahm der Schauspieler Heiko Rath. Unterstützung bekam das Filmteam durch Reenactment-Vereine, die unter anderem einen russischen T34-Panzer zur Verfügung stellten.

Beratend stand auch der Verein „Zeitreise Seelower Höhen“ zur Seite, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Geschichte und die Relikte der Entscheidungsschlacht zu dokumentieren (histograf.de) und Besuchern nahezubringen. Die unvorstellbaren Dimensionen an eingesetzten Truppen und Material machen den Ort zu einem der größten Schlachtfelder des Krieges auf deutschem Boden. Historische Authentizität ist Produzent Nieswandt daher besonders wichtig. Obwohl der Zuschauer den Ausgang im voraus kennt und trotz bescheidener Mittel, sind die Bilder von packender Wucht. Verbissenheit und Entsetzen vermitteln sich unmittelbar. Generell wächst das Publikumsinteresse an Kriegsfilmen aus deutscher Perspektive – gerade von kleinen freien Produktionen.

Kroll, auf dessen Erinnerungen das Drehbuch beruht, überwältigen heute noch Tränen, wenn er sich in Interview-sequenzen die Frage stellt: „Warum ich? – Warum habe ich so viel Glück gehabt und andere nicht?“