© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

„Schlag in das Gesicht der Region“
Bayern dünnt die Landwirtschaftsausbildung aus / Schülerzahlen gingen kontinuierlich zurück
Paul Leonhard

Auf dem Merkzettel der bayerischen Agrarministerin Michaela Kaniber steht der Punkt „Umsetzung der geschlechtersensiblen Sichtweise“ dick unterstrichen. Während in den Schulen das Gender-Mainstreaming bereits Teil der Lehrpläne ist, sollen nun auch die Bauern durch „spezielle Qualifizierungsmaßnahmen“ erzogen werden – sogar in den Bereichen „Urlaub auf dem Bauernhof“ und Landwirtschaftsschulen. Zuvor aber krempelt die 42jährige CSU-Politikerin die ihr unterstehende Verwaltung kräftig um.

Ab Oktober soll die Zahl der existierenden Landwirtschaftsämter von 47 schrittweise auf 32 schrumpfen. Da aber die Zahl der Standorte erhalten bleiben soll, geht es vor allem um die Streichung von 15 Amtsleiterposten. Dafür soll es mehr Beratung vor Ort geben. „Der Landwirt hat wieder viel bessere Möglichkeiten, an seinem Amt genau den Berater vorzufinden, den er ganz explizit für seine Fachbereiche braucht“, verspricht Kaniber. „Es wird ganz explizit die Beratung zurückverlagert.“ Alles werde effizienter, und durch „die Neuaufstellung rückt die Landwirtschaft auch wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft – wo sie hingehört“, heißt es aus dem Münchner Ministerium.

Neben „Zukunftsthemen wie Klimawandel, Tierwohl, Ressourcenschutz, Biodiversität und Digitalisierung“ sieht die grüne CSU-Agenda aber auch die Schließung oder Fusion von sieben der 27 Landwirtschaftsschulen vor. In Ostbayern betrifft es den Standort Nabburg, in Niederbayern Landshut. Auch Töging am Inn und Puch im Kreis Fürstenfeldbruck sind betroffen. Dort war erst vor acht Jahren eine neue Schule eröffnet worden, aber schon 2019 konnte der neue Jahrgang seine dreisemestrige Ausbildung nur nach einer Intervention der Ministerin auf Druck der Landräte beginnen. Es hatten sich lediglich zwölf statt der erforderlichen 16 Schüler angemeldet. Das galt auch für Erding.

Hatte die Ministerin damals noch betont, sie könne nicht zulassen, daß „sich unsere Junglandwirte entmutigt von den Höfen abwenden“, knickt sie nun vor der Kritik des Bayerischen Obesten Rechnungshofes ein, der die geringe Auslastung monierte. Die Schülerzahlen gingen kontinuierlich zurück, weil „junge Menschen sich lieber spezialisieren und ein Hochschulstudium machen“, konstantiert Michaela Kaniber. Diese Tendenz hat auch Hans Friedl, Landtagsabgeordneter der mitregierenden Freien Wähler (FW), im Blick, trotzdem sei Kanibers Entscheidung ein „Schlag in das Gesicht der Region“. Vor allem die Intransparenz der Reform sorgt für Irritationen und Wut. Alles sei „völlig geheimgehalten“ worden, kritisiert Georg Huber, Kreisobmann des Bauernverbandes.

Betroffen sind nur die Agrarabteilungen, die gut nachgefragte Hauswirtschaft wird unverändert an den bisherigen Standorten gelehrt. Nicht betroffen sind auch die Technikerschulen und die Höheren Landbauschulen (HLS). Auch wird das Bildungsprogramm Landwirt (BiLa) weiterhin flächendeckend an den Ämtern angeboten. Eine Analyse, warum die bisher unter Hoferben und jungen Landwirten beliebte klassische Landwirtschaftsausbildung immer weniger nachgefragt wird, gibt es bisher nicht. Die jüngste Studie zur Situation bäuerlicher Familienbetriebe in Bayern ist zwölf Jahre alt. Immerhin soll Ende des Jahres eine bundesweite „Landfrauenstudie“ vorliegen: Warum arbeiten weniger Frauen als Männer landwirtschaftlich? Lediglich zehn Prozent der Bauernhöfe des Freistaates werden von Frauen geführt. Immerhin wird noch keine Quote verlangt, nach der die Hofarbeit neu geregelt wird: Weiterhin sind es vor allem die Männer, die auf dem Acker tätig sind, während sich die Frauen schwerpunktmäßig um den Kuhstall, die Küche und die Kinder kümmern.

Bayerische Landwirtschaftsschulen: www.stmelf.bayern.de