© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 32/20 / 31. Juli 2020

Umwelt
Das Glück im Stall
Volker Kempf

Die Frage des Münchner Dichters Eugen Roth, „Wie steh’n zum Tier die Menschen, besonders wir, die abendländischen?“, muß immer wieder neu gestellt werden. Großstädter kennen Tiere in Freiheit kaum. Wildtiere bevölkern meist die künstliche Welt der Zoos. Aber Bücher geben über alles Auskunft. Auf dem Flohmarkt fand sich Sally Carrighars „Das ungezähmte Erbe – Vom Verhalten der Tiere und Menschen“ von 1965. Wer das wohl geschrieben hat? Die Amerikanerin lebte von 1898 bis 1985; sie kannte die Literatur zur Verhaltensforschung, bringt sie dem Leser nahe und reichert alles mit eigenen Tierbeobachtungen aus Alaska an. Ein reines Sachbuch ist das nicht, zu sehr sind hier erzählende Elemente vorhanden. Man könnte das, so ist aus Amerika zu erfahren, als eine spezielle Reiseliteratur klassifizieren. Dem Städter bliebe damit die Maus im Keller und ein gutes Buch. Aber da geht gerade in den Ferien mehr.

Eugen Roth ging es um den Menschen, denn der will wissen, was Tiere fühlen.

Auf Reisen gehen fällt nicht schwer. Tiere beobachten und sich mit ihnen befassen ist dann auch leicht gemacht. Es muß kein Wildteier sein. Auch eine Kuh ist interessant, sie ist neugierig, läßt sich das nur nicht anmerken, sie nähert sich langsam, scheinbar zufällig und wiederkäuend dem Besucher am Zaun. Spezielle Reiseliteratur über Tiere der Heimat, das wäre etwas. Aber dazu könnte man vielleicht auch Eugen Roths zweibändiges „Tierleben“ von 1948/49 zählen, das 2006 im Hamburger Nikol-Verlag illustriert neu herauskam. Er schrieb humorvoll-nachdenklich, mit Blick in diese Welt hinein: „Ja, ja, der Fortschritt überall! Trotzdem, wir wünschen: ‘Glück im Stall’“. Roth ging es letztlich um den Menschen. Der will wissen, was Tiere fühlen. Bis der Mensch mit seiner Wissenschaft herauskriegt, wo des Pudels Kern begraben liegt? Eher geht der Mensch selber vor die Hunde, das versteht kein Hund, lautet Roths Kunde.