© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

Deutsche Forschungsgemeinschaft knickt vor Shitstorm ein
Wissenschaft mit Haltung
Werner J. Patzelt

Haltung zu zeigen ist so sehr in Mode, daß es gar nicht mehr darauf ankommt, welche Haltung man zeigt. Ein schönes Beispiel lieferte jüngst die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Sie bat den Kabarettisten Dieter Nuhr für eine Werbekampagne um eine 30-Sekunden-Aussage über Wissenschaft. Warum denn nicht: Popstars reden in Talkshows auch über Politik! Nuhrs These: Wissenschaft bietet zwar keine Gewißheit, doch die vernünftigste Wissensgrundlage. Die DFG hielt das für ein „wunderbares Statement“, dankte und veröffentlichte es am 30. Juli. 

Auf Twitter, bekanntlich eine wissenschaftsnahe Stätte gediegener Diskurse, folgten wütende Reaktionen: Wie kann man bloß den Nuhr zu Wort kommen lassen, diesen Gegner aller seriösen Wissenschaftsjournalisten! Das nahm die DFG sehr ernst. Tags darauf war der belobigte Text gelöscht. Bravo! Toll die Lerngeschwindigkeit: Stimmt ja doch nicht, was der Nuhr sagt! Noch toller der Umgang mit Wissenschaftsansprüchen auf Intersubjektivität: Nuhrs Aussage mag schon richtig sein; es gehört sich aber nicht, daß genau er sie macht! Doch am tollsten ist die Selbstverzwergung eines Leuchtturms der Wissenschaft: Kommt ein Shitstorm, dann beugt man sich! Auch das ist schließlich eine Haltung.






Prof. Dr. Werner J. Patzelt ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaft an der TU Dresden.