© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

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Verteidigung: Washington konkretisiert seine Abzugspläne aus Deutschland / Berlin bedauert und fürchtet wirtschaftliche Einbußen
Peter Möller

Die SPD macht Weltpolitik. Zumindest wenn man der Erklärung der Bild-Zeitung für den in der vergangenen Woche offiziell verkündeten Abzug von rund 12.000 amerikanischen Soldaten aus Deutschland glaubt. Denn dem Blatt zufolge hat die Forderung der SPD-Spitze nach einem Abzug der amerikanischen Atomwaffen und die Ablehnung des geplanten Kaufs von atomwaffenfähigen Kampfflugzeugen des Typs F-18 des Herstellers McDonnell Douglas den Ausschlag für die weitreichende Entscheidung der Regierung von Donald Trump gegeben.

„Die fehlende Unterstützung der Nato und die zunehmenden Attacken auf US-Militärprogramme in Deutschland, insbesondere von Mitgliedern der Regierungskoalition, waren sehr problematisch und beunruhigend für amerikanische Strategen“, zitiert das Blatt den früheren Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin, Richard Grenell.

Ob die Äußerungen von SPD-Politikern in Washington tatsächlich den Ausschlag dafür gegeben haben, daß die Amerikaner einen bedeutenden Teil ihrer Truppen aus Deutschland abziehen, oder ob nicht doch der Streit um die Höhe des deutschen Verteidigungshaushaltes den Ausschlag gegeben hat, ist am Ende nicht entscheidend. Fakt ist: der in der vergangenen Woche offiziell vom amerikanischen Verteidigungsminister Mark Esper verkündete Abzug ist viel weitreichender als von der Bundesregierung und den betroffenen Bundesländern befürchtet.

Denn die amerikanische Regierung plant nicht nur, die Präsenz der ständig in Deutschland stationierten Soldaten auf maximal 25.000 zu verringern, sondern auch die wichtigen und derzeit in Stuttgart angesiedelten amerikanischen Hauptquartiere für Europa und Afrika abzuziehen. Während 6.400 Soldaten in die Vereinigten Staaten zurückkehren sollen, um von dort teilweise im Rotationsverfahren wieder in Europa eingesetzt zu werden, sollen 5.600 Soldaten dauerhaft innerhalb Europas verlegt werden, 1.000 von ihnen nach Polen. Neben Stuttgart sind von der Truppenreduzierung der Standort Vilseck (zugehörig zu Grafenwöhr) in Bayern sowie der Standort Spangdahlem in Rheinland-Pfalz betroffen.

„Bundesregierung hat es Trump sehr leicht gemacht“

Die Bundesregierung versuchte, gute Miene zum aus ihrer Sicht bösen Spiel zu machen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wollte das Problem wie in Berlin üblich europäisieren: „Ich möchte, daß wir bei der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik endlich schneller vorankommen und die deutsche Ratspräsidentschaft dafür nutzen.“ Zur Wahrheit gehöre, daß gutes Leben in Deutschland und Europa immer mehr auch davon abhänge, „wie wir selbst für unsere Sicherheit sorgen.“ Kramp-Karrenbauer kündigte mit Blick auf die „bedauerlichen Abzugspläne der US-Truppen“ an, nach der parlamentarischen Sommerpause sich mit den Ministerpräsidenten der betroffenen Länder zu besprechen, wie die Bundeswehr die betroffenen Regionen unterstützen könnte. Die amerikanischen Truppen sind auch ein Wirtschaftsfaktor: Allein in Rheinland-Pfalz sind mehr als 7.000 deutsche Arbeitskräfte bei den Amerikanern beschäftigt, deutschlandweit sind es rund 12.000.

Auffällig zurückhaltend äußerte sich bislang Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Entscheidung der Amerikaner. „Die Bundesregierung hat die Entscheidung der US-Administration zur Kenntnis genommen. Sobald die konkreten Zeit- und Abzugspläne der Vereinigten Staaten vorliegen werden, wird sich die Bundesregierung hierüber dann auch mit den Bundesländern abstimmen“, ließ Merkel am Montag über die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer mitteilen. An der grundsätzlichen Bewertung der Situation habe sich nichts geändert. Die Bundesregierung habe die Stationierung amerikanischer Soldaten in Deutschland immer für wichtig und gut erachtet.

Deutlicher äußerte sich die Opposition. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alexander Gauland, bezeichnete die Entscheidung Trumps zum Truppenabzug als falsch, da sie sich ganz offensichtlich nicht an strategischen Erfordernissen der Nato orientiere, sondern allein gegen Deutschland gerichtet sei. „Doch die Bundesregierung hat es dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump auch sehr leicht gemacht. Denn mit seinem Vorwurf, Deutschland gebe zu wenig für seine Verteidigung aus – und damit auch für die seiner Bündnispartner –, liegt Trump leider richtig“, sagte Gauland. 

Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht davon aus, daß der geplante Truppenabzug vor allem Präsident Donald Trump schadet. Der wolle „Deutschland abstrafen, trifft aber sicherheitspolitisch das westliche Bündnis und damit sich selbst“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wir müssen diese Entscheidung respektieren, hoffen aber, daß diese Pläne nach dem 3. November strategisch überdacht werden.“

In der deutschen Bevölkerung trifft der geplante Truppenabzug indes auf Zustimmung. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa befürworten 47 Prozent der Befragten eine Reduzierung der amerikanischen Truppen in Deutschland. Jeder vierte ist sogar der Auffassung, die US-Streitkräfte sollten Deutschland ganz verlassen. Dagegen ist jeder dritte (32 Prozent) dafür, daß die amerikanischen Truppen in der bisherigen Stärke bleiben (28 Prozent) oder sogar aufgestockt werden sollten (vier Prozent). 21 Prozent der Befragten äußerten sich nicht.