© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

Reform der (Kehr-)Woche
Ha noi ...
Christiane Vollradt

Nun sag, wie hast du’s mit der Geschlechtergerechtigkeit? Diese Gretchinnen- und Gretchenfrage stellte sich offenbar die Stadtverwaltung in Stuttgart. Künftig sollen in der Schwabenden-Metropole daher offizielle Anschreiben nicht mehr mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ beginnen, sondern mit „Liebe Menschen“. Außerdem sieht die von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) eingebrachte Richtlinie vor, künftig Begriffe zu vermeiden, die Rollenklischees bedienten. Dazu zählt beispielsweise die Formulierung „Mutter-Kind-Parkplatz“. Schließlich sollen auch Väter ihr Balg kostenpflichtig auf den entsprechenden Flächen abstellen können, wenn’s beim Schlußverkauf im Bräuninger stört. (Platz ist ja genug da, seit die Daimlerinnen und Daimler draußen bleiben müssen.) Kuhns Parteifreundin Winfried Kretschmann ist indes wohl weniger begeistert. „Von diesem ganzen überspannten Sprachgehabe halte ich nichts“, hatte der Ministerpräsidierende der Nachrichtenagentur dpa verraten. Er wolle sich den Mund nicht von „Sprachpolizisten“ (und -polizistinnen) verbieten lassen. Es falle ihm nicht leicht, immer auch die weibliche Form zu nennen, gestand er zudem. Aber wenn dem alten weißen Mann in der Villa Reitzenstein der Fortschritt nicht schmeckt, kann er ja auswandern. Nach Degerloch  oder – ganz ins Exil – nach Ludwigsburg.