© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

CD-Kritik: Eileen Farrell
Wagner und Blues
Jens Knorr

Erinnert man sie hierorts nicht mehr oder noch nicht: die große US-amerikanische Sopranistin Eileen Farrell, die in diesem Februar 100 Jahre geworden wäre? Sie hat ihre Karriere vornehmlich in den USA und im Konzertsaal, auf der Bühne eher zögerlich und ungern gemacht. „She is to singers“, schrieb der Kritiker Alfred Frankenstein, „what Niagara is to waterfalls.“ Ihre Stimme war die eines dramatischen Soprans, voluminös und klangvoll, doch mit weicher, sanfter Tongebung, dynamischer Flexibilität und der notwendigen Agilität, um Verzierungen korrekt auszuführen, aus jedem Ensemble herausragend und sich doch in jedes einfügend.

Die CD-Edition enthält alle Aufnahmen, die Farrell zwischen 1946 und 1963 für das Label CBS/Columbia gemacht hat, die Papphüllen sind im Original-Design der damaligen LPs gehalten. Vielseitig ohne jede Crossover-Fäule ist Farrell fast jedem Genre, das sie bedient hat, gerecht geworden. Am besten in den großen Szenen Wagners, Verdis und Puccinis, als „Wozzeck“-Marie, 1951 konzertant unter Mitropoulos, und als Cherubinis „Medea“, aber auch im Weihnachtslied für die ganze Familie oder im „torch song“, der Liebeskummerschnulze, weniger im Lieder-, Mélodies- und Canzoni-Repertoire – und ganz phänomenal, einfach umwerfend: im Blues! Den kann man nur lernen, wenn man’s schon kann!

Eileen Farrell Sämtliche Columbia-Alben Sony 2020  www.sonyclassical.de