© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/20 / 07. August 2020

Ein Leuchtturmprojekt im Regenwald kippt
Guyanas grüne Strategie ist nicht aufgegangen, nun beginnt dank ExxonMobil und China sein fossiles Zeitalter
Christoph Keller

Das Hochland von Guayana teilt sich auf fünf Staaten auf: Venezuela und Brasilien sowie drei frühere Kolonien von Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien. Während das französische Übersee-Département dank Pariser Subventionen und des Raumfahrtbahnhofs Guayana (CSG) prosperiert, darbt die 1966 von London in die Unabhängigkeit entlassene Kooperative Republik Guyana in einer ökonomischen Dauermisere.

Die 1992 in Rio de Janeiro abgehaltene UN-Umweltkonferenz sollte Besserung bringen. Der mit 800.000 Einwohnern auf der dreifachen Fläche Bayerns dünn besiedelte Staat glaubte, sich mit internationaler Hilfe zum ökologischen Musterland umbauen zu können. Sein Territorium, zu 80 Prozent mit Regenwald bedeckt, sollte ein Gegenmodell zu Brasilien werden. Statt wie der Nachbar auf Abholzung, Monokultur und Bergbau, setzte das arme Guyana auf eine „grüne Entwicklungsstrategie“, die Ökotourismus mit nachhaltiger Forstwirtschaft kombinierte.

Trotz Unterstützung des britischen Thronfolgers Prinz Charles oder durch das reiche Norwegen ging das Konzept nicht auf. So lautet die ernüchternde Bilanz von Sandra Weiss in den Welt-Sichten (6/20). Das „Leuchtturmprojekt und Kronjuwel des Umweltschutzes“ in Guayana, das 371.000 Hektar große Naturschutzgebiet Iwocrama, 275 Kilometer südlich der Hauptstadt Georgetown gelegen, drohe zu scheitern.

„Viele warme Worte, aber zu wenig Geld gespendet“

 Zwar sei es bis heute gelungen, die jährliche Abholzungsrate unter einem Prozent zu halten und so 85 Prozent des Naturreservats im ursprünglichen Zustand zu bewahren. Aber außer den zehn Prozent der Bevölkerung ausmachenden Indianern, deren Heimat erhalten blieb, von denen manche als Ranger, Naturführer oder Forstarbeiter ein Auskommen fanden, profitierte kein Guyaner (überwiegend Inder und Afrikaner) vom geretteten Regenwald. Auch traute sich kaum jemand von der Küste dorthin, da der Weg über die Schlammpisten beschwerlich, die Flüge teuer sind und die Übernachtungskosten sich dort auf dem Niveau von Fünf-Sterne-Hotels bewegen. Nur durchschnittlich 120 Ökotouristen verirrten sich jährlich nach Iwocrama. So entstanden Verluste, die das zweite Standbein, die ökologische Forstwirtschaft, nicht kompensierte, sondern erhöhte. Zwölf Millionen Dollar, so erfuhr Weiss von der Reservatverwaltung, habe man allein für die Zertifizierung der wertvollen Tropenhölzer ausgegeben, Kosten für die Satellitenüberwachung inklusive. Da die Stämme unbearbeitet in den Export gehen, fehle es an einer Holzindustrie, die zehnmal so viele Arbeitsplätze böte wie es sie derzeit im Reservat gebe. Die „Grüne Internationale“ habe Guyana stets „viele warme Worte“, aber zu wenig Geld gespendet.

Im Gegensatz dazu begann der US-Konzern ExxonMobil mit seinen chinesischen Partnern zu Jahresbeginn damit, die vor der Atlantikküste entdeckten Öl- und Gasfelder auszubeuten: geschätzte 13,6 Milliarden Barrel Öl und 960 Milliarden Kubikmeter Gas. Würde nur die Hälfte dieser „fossilen Energie“ verwertet, belastete dies die Atmosphäre mit einer Milliarde Tonnen CO2, rechnet der deutsche Umweltverein Urgewald vor. Ob dessen Kampagne gegen den US-Multi Erfolg hat, ist zweifelhaft – die Rettung des Regenwalds als Welterbe und Kohlenstoffsenke zahlt sich für die Einheimischen kaum aus.

Reichlich Sand ins ExxonMobil-Getriebe könnten die deutschen Umweltschützer allerdings schütten. Ist es ihnen doch gerade gelungen, die Guyana-Machenschaften der Weltbank zu enthüllen, die als Mitunterzeichner des Pariser Klimaabkommens nun am Pranger steht, weil sie öffentlich beteuert, keine fossilen Energieträger mehr zu fördern, aber gleichzeitig die Prolongierung des „fossilen Zeitalters“ in Guyana mit einem Beratungsvolumen von 55 Millionen Dollar subventioniert. Noch pikanter: ein Teil der Beraterhonorare floß an Anwälte, die für die Regierung in Georgetown „die Steuer- und Rahmengesetze für die neue Erdölära“ ausarbeiten. Praktischerweise befand sich unter diesen Rechtsexperten die US-Anwaltsfirma Hunton Andrews Kurth, die ExxonMobil seit 40 Jahren vertritt.

Iwokrama International Centre for Rainforest Conservation and Development:

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