© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Präsidentschaftswahl in Weißrußland
Europa steckt im Dilemna
Thomas Fasbender

Mit rechten Dingen wird es bei der Präsidentschaftswahl in Weißrußland am Sonntag nicht zugegangen sein: 80 Prozent für eine sechste Amtszeit des Präsidenten Alexander Lukaschenko – das ist zuviel des Guten angesichts der lahmenden Wirtschaft und einer zunehmend perspektivlosen jungen Generation. Doch der Umkehrschluß wäre ebenfalls vermessen. Unter fairen und freien Bedingungen wären vielleicht Minsk und ein, zwei weitere Städte an die Oppositionskandidatin Swjatlana Zichanouskaja gegangen. Deren Flucht nach Litauen berechtigt zur Annahme, daß Lukaschenkos künftige Bezwinger noch gar nicht im Rampenlicht angekommen sind.

Für die europäischen Politiker bedeutet die erneute Hinwendung des Regimes zur Repression ein Dilemma. Seit 2015, als Weißrußland die Rolle des Vermittlers im Ukrainekonflikt einnahm, hatte man sich mit der Präsenz des „letzten Diktators in Europa“ eigentlich abgefunden. Im großen Konflikt Europa gegen Rußland konnten beide Seiten sicher sein, daß dieser Präsident nicht zum jeweiligen Gegner überläuft. Eine Wiederholung der Ukrainekrise im Nachbarland Belarus ist das letzte, was irgendwem in der Region jetzt schmecken würde – obwohl es Nichtregierungsorganisationen gibt, die mit transatlantischer Unterstützung darauf hinarbeiten. Es bleibt unruhig an der Nahtstelle zwischen Rußland und dem Westen.