© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Knute für Konservative
Justiz-Skandal: Hat Berlins Chef-Anklägerin mit Rückendeckung eines grünen Senators zwei aus politischen Gründen unliebsame Beamte versetzt?
Hermann Rössler

Lokale Medien sprechen schon von einem „Aufstand der Berliner Justiz“. Tatsächlich übten zu Beginn dieser Woche die Vereinigung Berliner Staatsanwälte (VBS) und der Gesamtstaatsanwaltsrat vernichtende Kritik an ihrer Behördenleitung, Generalstaatsanwältin Margarete Koppers und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Ein laut Beobachtern in dieser Form und Deutlichkeit einmaliger Vorgang. „Das Vorgehen der Generalstaatsanwältin hat das Ansehen der Berliner Staatsanwaltschaft und Justiz nachhaltig erschüttert“, zitierte der Tagesspiegel den VBS-Vorsitzenden Ralph Knispel. „So einen Vorfall habe ich in knapp drei Jahrzehnten nicht erlebt.“ Auch die Personalvertretung habe in einem internen Schreiben Koppers und Behrendt dafür kritisiert, nicht der „verantwortungsvollen Ausübung der Fürsorgepflicht gegenüber Mitarbeitern“ entsprochen zu haben.

Was war passiert? Die Generalstaatsanwältin hatte jüngst der Staatsanwaltschaft ein Verfahren entzogen und außerdem den Leiter der Staatsschutzabteilung sowie einen weiteren Beamten versetzt. Begründung: ein – nicht bewiesener – Anschein von Befangenheit. Der grüne Justizsenator hatte Koppers öffentlich „für diesen konsequenten Schritt“ gedankt.

Laut den Vorwürfen der Behördenleitung soll einer der nun versetzten Staatsanwälte möglicherweise einem Hauptverdächtigen im Fall von mutmaßlich rechtsextrem motivierten Brandanschlägen in Berlin-Neukölln während einer Vernehmung gesagt haben, daß er der AfD nahestehe oder AfD-Wähler sei. Dies gehe aus einem Telefonprotokoll zwischen dem Vernommenen und einer weiteren Person hervor, die beide dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden. Der Verdächtige habe einer weiteren Person erzählt, man könne sich „gut aufgehoben fühlen bei der Staatsanwaltschaft wegen dieser Äußerung“. 

Zwischen 2016 und 2018 soll es in dem Stadtbezirk zu über 70 rechtsextremen Anschlägen, darunter 23 Brandstiftungen, auf Politiker und Privatpersonen gekommen sein. Einer der Angeklagten ist ein ehemaliger Neuköllner AfD-Lokalpolitiker. Die Polizei geht von insgesamt drei Tätern aus.

Ins Rollen gebracht wurde die Aktion gegen die Staatsanwälte, nachdem die Anwältin eines Opfers der Anschläge auf das Protokoll aufmerksam geworden war und daraufhin Beschwerde eingelegt hatte. Allerdings muß sogar die Generalstaatsanwältin einräumen, es gebe bisher keine Beweise, daß „etwas nicht sauber gelaufen ist“.

Im Gegenteil. In Kreisen der Justiz gelten beide Staatsanwälte laut Tagesspiegel als „gewissenhaft und gründlich“. Der bisherige Staatsschutzchef stehe im Ruf, konservativ zu sein, es habe jedoch bisher nicht den geringsten Anlaß gegeben, ihm in Verfahren gegen Rechtsextremisten Nachsichtigkeit zu unterstellen. Das fraktionslose Abgeordnetenhausmitglied Marcel Luthe (FDP) prangerte die Gesinnungsschnüffelei an und warf Generalstaatsanwältin Koppers einen Kuschelkurs mit Linksextremisten in ihrem vorherigen Amt als Polizei-Vizepräsidentin vor.

Der Gesamtstaatsanwaltsrat teilte mit, die Vorgänge hätten zu großer Verunsicherung in der Behörde geführt. Man sei entsetzt, wie eine Personalentscheidung ohne fundierte Fakten medial verbreitet werden konnte. Daraus, daß im Verfahren zu den Anschlägen von Neukölln trotz jahrelanger Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht gegen die Beschuldigten vorliege, könne nicht geschlossen werden, die Juristen hätten nicht ordentlich gearbeitet.