© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Ländersache: Niedersachsen
Wie man eine Regierung veräppelt
Christian Vollradt

Der Ministerpräsident ist sauer. Da hatte Stephan Weil (SPD) gedacht, er könne die gütliche Beilegung eines langjährigen gesellschaftlichen Konflikts verkünden – und dann dreht ihm einer der Beteiligten ziemlich ostentativ eine Nase. 

Doch der Reihe nach: „Wir haben eine bundesweit einmalige Vereinbarung unterzeichnet, die erstmals die Interessen von Arten- und Naturschutz einerseits und die Interessen der Landwirtschaft andererseits umfaßt“, betonte der sozialdemokratische Regierungschef in Hannover. „Niedersächsischer Weg“ nennen sich ganz staatstragend die zehn Seiten füllenden Vereinbarungen zu den Themen „Natur-, Arten- und Gewässerschutz“ sowie „Biodiversität“. Als Ziel vereinbart hat man unter anderem einen „landesweiten Biotop-Verbund“, verbindliche Vorgaben für die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln und daß der Anteil des Öko-Landbaus bis 2025 auf 10 Prozent und bis 2030 auf 15 Prozent erhöht werden soll. 

Symbolträchtig wurde das Abkommen im Beisein des Landesvaters auf einem Blühstreifen nahe einem Bauernhof bei Wunstorf unterzeichnet. Beteiligt waren Umweltminister Olaf Lies (SPD), Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU), Vertreter des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), sowie des niedsächsischen Landvolks (Bauernverband) und der Landwirtschaftskammer.

Nach dem Willen der Landesregierung soll das Vereinbarte noch in diesem Jahr Gesetz werden. Vor allem erhoffte sich Weil, auf diesem Wege das von der Öko-Lobby unterstützte „Volksbegehren für mehr Artenschutz“ auszuhebeln. Aber Pustekuchen. Nabu und Co. fahren zweigleisig, auf dem Niedersächsischen Weg und in Richtung Volksbegehren, für das sie rund 610.000 Unterschriften brauchen. Der Regierungschef sieht sein Projekt dadurch gefährdet und fühlt sich hintergangen.  

Eine ganze Reihe von Bauern indes trauten von Anfang an dem Frieden im Allgemeinen und dem Nabu im besonderen nicht und lehnten daher auch den Niedersächsischen Weg ab. Vor allem die bäuerliche Basisbewegung „Land schafft Verbindung“ (LsV), die maßgeblich die Proteste und Trecker-Demonstrationen seit vergangenem Jahr organisiert hatte, spart nicht mit Kritik – auch an den eigenen Standesvertretern. Die seien allein schon durch die von Grünen und ihren Vorfeld-Nichtregierungsorgansationen errichtete Drohkulisse eines Volksbegehrens „in vorauseilendem Gehorsam“ eingeknickt, heißt es etwa in einem offenen Brief einer LsV-Gruppe aus dem Braunschweiger Land. 

Im Grunde seien die geplanten Eingriffe – etwa die faktische Enteignung ihrer selbst angelegten Streuobstwiesen als „Biotope“ – so oder so „ideologisch und populistisch“ motiviert, egal ob der „Niedersächsische Weg“ in ein Gesetz gegossen werde oder sich die Initiatoren des Volksbegehrens durchsetzten. Einen Unterschied machen höchstens die auf dem Papier versprochenen Ausgleichszahlungen der Landesregierung aus. Aber den wütenden Bauern geht es nicht ums Geld, sondern um die unternehmerische Freiheit, ihre Flächen gemäß „der guten fachlichen Praxis“ zu bewirtschaften. Und sie wollen weiter Nahrungsmittel produzieren und nicht als ökologische Landschaftspfleger alimentiert werden.