© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Grüße aus Santiago de Cuba
Den Notstand ausrufen!
Alessandra Garcia

Wir Kubaner sind noch immer unter uns. Kein Fremder darf das Land betreten – abgesehen von einigen vorgelagerten, eigentlich unbewohnten Inselchen, wo die Hotelresorts seit 1. Juli wieder geöffnet haben. Und dabei wird es wohl zumindest bis Jahresende bleiben.

Seit Ende März gibt es ein Kuba, was selbst uns fremd ist: Keine Küßchen mehr, keine Umarmungen, keine Feste, kein Alkoholausschank, dafür strengste Quarantänebeschränkungen und Maskenpflicht. Und das bei 40 Grad im Schatten und einer schwülwarmen Luft. Kein Wunder, daß allmählich die Disziplin nachließ, was sogar die Regierung  in ihren klimatisierten Gebäuden in Havanna registrierte.

Ohne Touristen keine Devisen. Ohne Dollar aber kein Import von Lebensmitteln.

Zumal der durch die Corona-Pandemie bedingte Stillstand des öffentlichen Lebens mit einer Nahrungsmittelkrise einhergeht: Ohne Touristen keine Devisen. Ohne Dollar aber kein Import von Lebensmitteln und Medikamenten. In seiner Not rief Präsident Miguel Díaz-Canel die Bevölkerung zu Spenden auf, um die eigene Lebensmittelindustrie anzukurbeln. Landesweit wurden dazu eigene Konten eingerichtet. Die gleichgeschalteten Zeitungen berichteten rührselige Geschichten von Großmüttern, die ihr gesamtes Erspartes – ein paar hundert Pesos, also keine 20 Euro – der Regierung gaben, in der Hoffnung, die Enkel bekämen so etwas zu essen.

Sieben Pfund Reis bekommt der Erwachsene derzeit auf seine Lebensmittelkarte, so das staatliche Geschäft die Lieferung erhalten hat. Es wird künftig weniger sein. Denn die Ernte fällt schlecht aus. Zur Aufrechterhaltung der Mindestversorgung werden rund 400.000 Tonnen fehlen. Dumm verdienen sich derzeit die Schwarzhändler, die der Staat nicht bekämpfen kann, weil der eigene Bauch den Menschen wichtiger ist als Gesetzestreue.

Die Bauern glauben der Regierung seit der verlogenen Agrarreform von 1960 nicht. Denn von den staatlichen Farmen funktionieren nur diejenigen, die dem Militär unterstellt sind. Das in einem Land, das mehrere Ernten pro Jahr erzielen könnte. 

Wären die Kommunisten mutig, müßten sie den Notstand ausrufen und die Welt, oder zumindest die verbliebenen Verbündeten wie Rußland, China und Mexiko, um Lebensmittel bitten – auf Pump oder gleich als Spende. Sie könnten dabei auf die Corona-Pandemie verweisen, wenn diese auch nicht schuld am grundlegenden Problem ist.