© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 34/20 / 14. August 2020

Wie ein Fußabdruck im Sand
„Birkenstocks“ haben sich von belächelten Öko-Latschen zu hippen Sandalen gemausert
Boris T. Kaiser

Sie galten einst als Sinnbild für den verlotterten Öko-Linken oder die spießige, Grünkern mampfende Religionslehrerin. Humoristen wie Harald Schmidt dienten sie als stets griffbereite Vorlage für fiese Witze und waren auf hippen Partys in etwa so gerne gesehen wie Kamillentee oder die von den Nachbarn wegen Ruhestörung verständigte Polizei: die Birkenstocks. 

Diesen Sommer haben sich die Zwei-Riemen-Sandalen von Birkenstock aber zum absoluten Trendschuh für die heiße Jahreszeit gemausert. Auf Instagram scheinen sie derzeit schon fast so etwas wie die vorschriftsmäßigen Arbeitsschuhe für die modische Influencerin zu sein. Dank Promi-Sternchen wie dem US-amerikanischen Model Gigi Hadid oder Reality-TV-Protagonistin Kendall Jenner vom berühmt-berüchtigten Kardashian-Clan haben es die einstigen Hippie-Latschen inzwischen nicht nur auf die bunten Seiten der Modepresse von InStyle bis Freundin, sondern sogar bis auf die schillernden Hügel von Hollywood geschafft. Wie kam es zu diesem fulminanten Imagewandel?

Einen nicht ganz unwesentlichen Anteil könnte daran Deutschlands Topmodel Heidi Klum gehabt haben. Die bekannte Moderatorin und Fernsehproduzentin ist in den Vereinigten Staaten mindestens so populär wie in ihrem Heimatland. Was läge also näher, als ihren Ruf als einfaches Mädel aus Bergisch-Gladbach, das mit Erfolg in die große weite Welt hinauszog, zu nutzen, um einem fast 250 Jahre alten deutschen Familienunternehmen zu einem echten Ansehensschub auf internationaler Ebene zu verhelfen? Das dachten sich bereits 2003 offenbar auch die Köpfe in der Werbeabteilung von Birkenstock und fragten bei Heidi an, ob sie nicht Lust hätte, ihre eigene Kollektion für den Sandalen-Hersteller zu entwerfen. Klum hatte Lust und griff nach Glitzersteinen, Nieten und verschiedenfarbigen, dicken Filzstiften. So kam es, wie die Legende sagt, daß das Model zur Designerin wurde und man die von ihr noch im Flugzeug entworfenen Stücke schon bald in den Geschäften erwerben konnte. 

Gute 15 Jahre später ist der Plan aufgegangen. „Wenn wir eine Million ‘All-Black-Arizonas’ nach New York schicken, sind diese im Nu ausverkauft“, erzählt Birkenstock-CEO Oliver Reichert der Vogue. Es folgten ein Büro in Paris neben den Standorten in Neustadt (Wied), Köln oder München sowie weitere Werbekampagnen, unter anderen mit Schuh-Ikone Manolo Blahnik und zahlreichen Künstlern. Im Jahr 2013 verkaufte der 1774 erstmals erwähnte Schuhmacher Birkenstock weltweit zehn Millionen Sandalenpaare, 2019 waren es bereits mehr als 30 Millionen.

Kooperationen mit Edelmarken

Inzwischen gibt es Zwei-Riemen-Sandalen in etlichen Luxuslabel-Versionen. Ob als Kooperationsmodelle in Zusammenarbeit mit Valentino, Proenza Schouler oder mit dem italienischen Designer Stefano Pilati, der einst als Kreativdirektor bei Yves Saint Laurent tätig war und heute mit Birkenstock zusammenarbeitet. 

Eigene Edel-Varianten, die zudem an Trekking-Sandalen erinnern, hat die Nobelmarke Chanel auf den Markt geworfen. Diese werden auf Instagram beispielsweise von Influencerin Sonia Lyson bei jeder Gelegenheit in die Kamera gehalten. 

Die im Grunde so schlichten Latschen sind heute von keinem Sommerfest im linksliberalen Hipster-Milieu mehr wegzudenken. Damit nicht nur Luxus-Linke, sondern auch das einfache Fußvolk am Sandalentrend teilhaben kann, gibt es die Sohle mit den Riemen auch als preiswerten Proletarier-Pantoffel.

Sogenannte „Lookalikes“, was die coolere und etwas weniger schäbige Formulierung für dreiste Imitate ist, ermöglichen es dem Käufer trotz kleineren Geldbeutels großspurig aufzutreten. So verkauft das Londoner Label Dune einen Sommerschuh, der dem aus dem Hause Chanel zum Verwechseln ähnlich sieht. Die britische Chanellette hat, genau wie ihr französisches Vorbild, eine klobigere Trekking-Sohle sowie die zwei klassischen breiten Riemen. Auch bei der Musterung haben sich die englischen Designer der Fast-Kopie von der Vorlage aus dem berühmten Pariser Modehaus ziemlich genau so weit inspirieren lassen, wie es gerade noch erlaubt ist. 

Wobei eine Beschwerde der Franzosen natürlich sowieso etwas heuchlerisch wäre. Wo sie ihren Verkaufsschlager doch selbst recht schamlos vom deutschen Birkenstock-Original abgekupfert haben. Mit einem Preis von 145 Euro für den Schuh von Dune ist die Kopie der Kopie allerdings immer noch unverschämt teuer. Deutlich günstigere Varianten der Riemensandale gibt es zum Beispiel bei Amazon von Anbietern wie Oncai schon für unter 30 Euro. 

Das deutsche Original, die „Arizona“-Sandale von Birkenstock mit dem legendären Kork-Fußbett, das einem Abdruck im Sand nachempfunden sein soll, kostet in der Standardversion 60, in der mit Nubukleder 85 und in der mit Lammfell stolze 129 Euro.