© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Massendemonstrationen in Weißrußland
Die EU reagiert falsch
Albrecht Rothacher

Die Protestbewegung gegen Lukaschenkas dreiste Wahlfälschung will nicht abreißen. Zehntausende gehen in Weißrußland trotz Repression und Folter weiter auf die Straße. Dazu kommt eine landesweite Streikbewegung, die die großen Staatsbetriebe wie Belruskali und die einzige Raffinerie Naftan einschließt. Selbst der Propagandaarm des Regimes, das Staatsfernsehen, streikt. Es scheint nur eine Frage der Zeit, wann der Sicherheitsapparat und der Kreml den wankelmütigen Langzeit-Diktator fallenlassen. Was aber macht die EU, leidenschaftlicher Verteidiger der weltweiten Menschenrechte von Albanien bis Simbabwe?

Jawohl, richtig geraten: Wie schon im Fall von Hongkong speist sie die tapferen Freiheitskämpfer mit zahnlosen Resolutionen und frommen Twitter-Sprüchen ab und greift einmal mehr in ihre alten Sanktionenkiste, die niemanden der Wahlfälscher östlich des Bugs wirklich erschreckt.

Als osteuropäischer Nachbarstaat Polens und Litauens mit seinen 10 Millionen Einwohnern kann den Europäern jedoch das Schicksal der Weißrussen, die von der Geschichte oft gebeutelt wurden, auch aus strategischen Gründen nicht gleichgültig sein. Mögen auch die wirtschaftlichen Bindungen zu jenem abgewirtschafteten Armenhaus Europas noch unterentwickelt sein. Dank seiner gut ausgebildeten fleißigen Bevölkerung gibt es ein großes Potential zum Aufholen, das es zur künftigen gedeihlichen engen Zusammenarbeit zu nutzen gälte.