© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

„Kann das nicht länger unterstützen“
CDU: Warum ein über viele Jahre engagiertes Mitglied seiner Partei nun den Rücken kehrt / Neue Reformpläne als Auslöser
Christian Vollradt

In der CDU dreht sich momentan schlagzeilenträchtig alles um die Frage, wer Vorsitzender wird und Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer folgt. Wer hat sich als Krisenmanager bewährt – und wer möglicherweise Renommee eingebüßt? Und über allem schwebt dazu die Ungewißheit: Wird der nächste an der Parteispitze auch der Kanzlerkandidat – oder meint es CSU-Chef Markus Söder doch nicht so ernst mit seiner Aussage, sein Platz sei in Bayern? Noch ist offen, wie der CDU-Parteitag im Dezember ablaufen soll; am 14. September wird dies im Vorstand entschieden. 

Sicher ist jedoch, daß einer so oder so nicht teilnehmen wird: Eugen Abler. Bei den vergangenen Bundestreffen hatte der Delegierte aus Baden-Württemberg mit Redebeiträgen manches Mal für Aufsehen gesorgt, Applaus – aber auch Buhrufe erhalten. Wenn er die Grenzöffnung für Asylbewerber 2015 kritisierte oder ein stärkeres Engagement für den Lebensschutz einforderte. Abler war kein hohes Tier in der Partei, aber auch keine Karteileiche. Sondern einer, der sich über Jahrzehnte in den Parteigremien und als Kommunalpolitiker für seine oberschwäbische Heimat engagiert hatte. 

„Kehrt um – oder gebt das ‘C’ auf!“

Der 68jährige Diplomkaufmann war über zwei Jahrzehnte  Vorsitzender der CDU in Bodnegg und lange Zeit Mitglied des Kreistags Ravensburg. 13mal hatte er als Delegierter auf Parteitagen gesprochen. Nun hat er nach 43 Jahren die CDU verlassen. In seiner Austrittserklärung mahnt er die ehemaligen Parteifreunde zum Abschied: „Kehrt um und bekennt euch zum Geiste des ‘C’ oder gebt das ‘C’ auf!“ Der Ravensburger Bundestagsabgeordnete Axel Müller meinte, die CDU unterliege als Volkspartei nun mal gesellschaftlichen Veränderungen. Abler habe eine „Rolle rückwärts“ gewollt, die man ihm nicht habe bieten können. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT erläutert der nun Parteilose seine Motive:

Herr Abler, nach über vier Jahrzehnten in der CDU haben Sie gerade Ihren Parteiaustritt erklärt. Warum, was sind Ihre Beweggründe? 

Abler: Nach und nach hat die CDU immer mehr Positionen aufgegeben. Es wurde permanent links geblinkt, und wir haben dadurch die Menschen, die ihre konservative Meinung behalten haben, verloren. Die Konservativen sind in der CDU heimatlos geworden.

In konservativen Kreisen erzielten Sie eine gewisse Prominenz durch Ihre Wortmeldungen als Delegierter auf Bundesparteitagen, wo Sie der Führung regelmäßig ins Gewissen geredet haben. Warum sind Sie gerade jetzt ausgetreten? Befürchten Sie, daß die CDU noch weiter nach links rücken wird?

Abler: Noch weiter nach links muß die Union gar nicht, denn wir sind ja schon absolut koalitionsfähig mit den Grünen. Einer künftigen schwarz-grünen Koalition wurden die meisten Steine aus dem Weg geräumt. Egal, wer Nachfolger der jetzigen Parteichefin wird, er muß nicht mehr viel Arbeit leisten – die Positionen, die einem solchen Bündnis widersprechen würden, sind längst beseitigt. So wurden etwa die „Ehe für alle“, die Gender-Ideologie oder das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare bereits etabliert. Umgekehrt vermisse ich das Eintreten für den Lebensschutz. Das geschah alles, um Machtoptionen zu halten. Nur sind wir dadurch eben in keiner Weise mehr die CDU, in die ich vor 43 Jahren eingetreten bin.

Gab es einen letzten Auslöser, aufgrund dessen Sie gesagt haben: „Jetzt reicht es!“?

Abler: Es gab eine Reihe von Punkten, von denen jeder einzelne bedeutsam war. Der letzte Auslöser ist die geplante Anerkennung der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) als Sonderorganisation, die dadurch auf einer Stufe mit beispielsweise der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) stünde. Das hat mich in der grundsätzlichen Überlegung noch bestärkt, daß ich diese Richtung nicht weiter durch meine Mitgliedschaft unterstützen kann. Da muß ich mich jetzt trennen.

Und Sie haben keine Hoffnung, daß ein Zusammenschluß wie beispielsweise die Werte-Union noch einmal etwas drehen kann?

Abler: Nein, keine echte Hoffnung. Ich war Mitglied der Werte-Union, bin dann aber wieder ausgetreten, weil mir die Überzeugung fehlt, daß diese einen höheren Wirkungsgrad erreicht. Besonders ärgerlich finde ich, daß diese Gruppierung von der CDU bekämpft wird. Und das, obwohl die Werte-Union ihre Stimme für die wertorientierten konservativen Wähler erhebt. Führende Politiker der Union behaupten, man brauche die Werte-Union nicht, während gleichzeitig die LSU als „fester Bestandteil“ bezeichnet wird und ihre organisatorische Anerkennung von der Satzungskommission „als ein wichtiger Schritt zu noch mehr gelebter Volkspartei“ bezeichnet wird.

Werden Sie künftig also auch einer der vielen politisch heimatlosen Konservativen sein?

Abler: Wenn die Beziehung jetzt zu Ende geht, ist es wie im richtigen Leben: Dann schaut man sich nicht gleich nach einer neuen um. Insofern werde ich sicherlich noch ein Weilchen der Heimatlose sein, der politisch interessiert bleibt und sich dann sicherlich auch hin und wieder zu Wort meldet. Es ist eben ein großer Schritt für mich, nach 43 Jahren eine Partei zu verlassen, für die ich mich sehr engagiert habe. Ich gehe ohne Bitternis – aber es muß halt einfach sein, ich kann diesen Kurs nicht länger unterstützen.






Eugen Abler, 68, ist Diplomkaufmann und war 22 Jahre Vorsitzender der CDU im oberschwäbischen Bodnegg sowie Mitglied des Kreistags von Ravensburg. 2008 erhielt er als Bewerber für die CDU-Direktkandidatur im Bundestagswahlkreis Ravensburg 41,7 Prozent gegen den damaligen Amtsinhaber Andreas Schockenhoff (58,3 Prozent). Abler engagiert sich außerdem in seiner katholischen Kirchengemeinde und im Kolpingwerk der Diözese Rottenburg-Stuttgart.