© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

„Das dritte durch Wetterextreme geprägte Jahr“
Ernteausblick des Bauernverbandes: Getreideertrag liegt im fünfjährigen Mittel / Große regionale Unterschiede / Staatszuschuß bei Mehrgefahrenversicherung?
Jörg Fischer

Die deutschen Bauern plagen andere Sorgen als Corona: „Das Jahr 2020 war vielerorts das dritte durch Wetterextreme geprägte Jahr, was einige Betriebe in ihrer Existenz gefährdet“, erklärte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), am Dienstag bei der Vorstellung des diesjährigen Ernteausblicks. Man rechne mit einer Getreideernte von 42,4 Millionen Tonnen – das wären zwei Millionen Tonnen bzw. fünf Prozent unter dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019, der bei 44,4 Millionen Tonnen lag.

Allerdings sind das nur bundesweite Durchschnittswerte. Je nach Regenverteilung, Sonneneinstrahlung, Bodengüte, dem „massenhaften Auftreten von Mäusen“ oder durch Nachtfröste im Mai fallen die Ernten selbst innerhalb von Landkreisen sehr unterschiedlich aus – es gibt also nicht nur Verlierer. Der Durchschnittsertrag bei Getreide liegt mit sieben Tonnen pro Hektar weiter im fünfjährigen Mittel. Allerdings ist die Anbaufläche mit 6,1 Millionen Hektar etwa 240.000 Hektar (bzw. vier Prozent) kleiner aus früher.

Bauern fordern eine steuerliche Gewinnrücklage

Nur bei Gerste spüren die Bauern die Corona-Einschränkungen: „Die vorübergehende Schließung der Gastronomie und die Absage von Großveranstaltungen haben den Bierabsatz verringert und somit auch die Nachfrage nach Braugerste, konstatiert der DBV. Daher lägen die Erzeugerpreise für Braugerste mit aktuell 163 Euro pro Tonne rund 20 Euro pro Tonne unterhalb des Vorjahrespreises.

Die Hitze und Trockenheit im August hätten allerdings eine zügige Getreide- und Rapsernte ermöglicht, Herbstkulturen wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben litten dagegen zunehmend unter dem Wassermangel. „Auch die tierhaltenden Betriebe leiden wegen der Trockenheit wieder einmal an einem zu geringen Grundfutteraufkommen“, klagte Präsident Rukwied bei der Online-Pressekonferenz. „Auch für die bevorstehende Rapsaussaat werden dringend Niederschläge benötigt, damit die Saat überhaupt keimen kann.“

Und diese Ölpflanze, die nicht nur für Speiseöl oder Tierfutter, sondern auch als „nachwachsender Rohstoff“ im Sinne der Energiewende angebaut wird, ist eine wichtige Einnahmequelle für die deutschen Bauern – in diesem Jahr stieg die Winterrapsanbaufläche von 853.000 auf 954.000 Hektar. Allerdings erhöhten „fehlende Bekämpfungsmöglichkeiten wichtiger Rapsschädlinge“ – sprich: strengerer Naturschutz – das Ertragsrisiko und haben den gleitenden mehrjährigen Durchschnittsertrag kontinuierlich sinken lassen, so der DBV.

DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken treibt eine weitere Sorge um: „Der Klimawandel ist gekommen, um zu bleiben“, sagte der frühere Raiffeisen-Manager im Deutschlandfunk. Die Bauern hätten auf der einen Seite im Jahr zwölf bis 13 Tage Vegetationszeit hinzugewonnen, „auf der anderen Seite sehen wir genauso kontinuierlich eine Zunahme von Extremwetterereignissen“, so der Agraringenieur. „Was Trockenheit angeht, ist insbesondere der Westen getroffen, dann haben wir die typischen Frühsommer-Trockenheitsregionen in den neueren Bundesländern, insbesondere im Südosten der Republik, aber auch in Nordbayern“, so Krüsken.

Daher fordert der DBV Strategien zum Anbau trocken- und hitzetoleranter Pflanzen, die Einführung einer steuerlichen Gewinnrücklage sowie die Ausweitung der Mehrgefahrenversicherung: Über zusätzliche Mittel der „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“ (GAK) sollten „mindestens 50 Prozent der Versicherungsprämie bei den Gefahren Spätfrost, Starkregen, Trockenheit und Sturm als Zuschuß gewährt werden“.