© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

CD-Kritik: G. F. Händel
Intrigantenstadl
Jens Knorr

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. Agrippina will ihren Sohn aus erster Ehe, Nerone, ihrem zweiten Gemahl, Kaiser Claudio, als Thronfolger unterjubeln, der aber als seinen Nachfolger General Ottone vorgesehen hat, der sich jedoch weniger für die Kaiserkrone, dafür um so mehr für seine geliebte Poppea interessiert, für die sich wiederum Claudio und Nerone interessieren. In dem 1709 für Venedig komponierten Dramma per musica „Agrippina“, seiner Grabbelkiste an Melodien und Motiven für die Produktion des nachmaligen Opernunternehmers George Frideric Handel, kommen alle Intriganten glücklich zum Ziel und jedermann zu seinen Arien. Die Ehrlichen sind die Dummen und musikalische Langweiler obendrein.

Nicht aber in der Gesamtaufnahme mit Il pomo d’oro unter und mit Maxim Emelyanychev. Joyce DiDonato hält Intrigen und Gesang gar zu lässig routiniert am Laufen und den ganzen Hofladen zusammen. Da kommen die fast Schuldlosen (Jakub Józef Orlinski, Luca Pisaroni), die zweitklassigen Intriganten (Franco Fagioli, Andrea Mastroni, Carlo Vistoli) und selbst die Nachwuchsintrigantin (Elsa Benoit) kaum mit, deren Sänger schon.

Hinter jeder starken Frau stehen gefährlich schwache Männer. Neros Muttermord an Agrippina ist eine andere Geschichte, die Händel nicht erzählt hat.

G.F.Händel Agrippina Erato 2020l  www.warnerclassics.com www.il-pomodoro.ch