© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Stellen Sie sich folgendes vor: Ein Minigolf-Club hat für seine Mitglieder ein Emblem entworfen und auf T-Shirts drucken lassen, um deren Zusammengehörigkeit und eine gemeinsame Identität auszudrücken. Weil nun einige Mitglieder des Clubs kriminell auffällig geworden sind, wird kurzerhand der ganze Verein und damit auch sein Logo verboten. Doch abgesehen von schon dieser Fragwürdigkeit, es geht noch weiter. Auch anderen Minigolf-Clubs, die zu demselben Dachverband gehören und deswegen ein bis auf den Ortsnamen gleiches Emblem verwenden, deren Mitglieder aber keineswegs straffällig in Erscheinung getreten sind, wird nun die Nutzung ihrer Kennzeichen untersagt. – Sie halten das Beispiel für an den Haaren herbeigezogen? Nun, genau das ist dem Grunde nach einigen großen Rockerclubs widerfahren. Seit 2017 dürfen auch nicht verbotene Ortsgruppen des MC Gremium, der Bandidos und der Hells Angels ihre Kennzeichen nicht mehr in der Öffentlichkeit tragen.


Das Wunderbare an moderner Kunst ist, daß man ihr gegenüber so ignorant sein kann.


In einem vergangene Woche veröffentlichten Beschluß hat das Bundesverfassungsgericht das Kennzeichenverbot für Rockerclubs auch durch deren nicht verbotene Teilorganisationen für verfassungsgemäß erklärt. In ihren Beschwerden hatten die Clubs unter anderem auf eine nicht zu rechtfertigende „Sippenhaft“ verwiesen. Die Richter erkannten zwar einen „erheblichen Grundrechtseingriff“, zumal die öffentliche Verwendung der Kutten „von grundlegender Bedeutung“ für die MCs sei. Sie seien für die Clubs identitätsstiftend und ein Beitrag zur Selbstdarstellung. Dennoch sei der Eingriff gerechtfertigt. Ein Verbot lokaler Chapter oder Charter greife schließlich nur, wenn die Vereinigung „durch organisierten Verstoß gegen Strafgesetze, eine kämpferisch-aggressive Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder eine Ausrichtung gegen den Gedanken der Völkerverständigung geprägt“ sei. Puh! Fehlt bloß noch die Gefährdung des Weltfriedens. Angehörige der betroffenen Clubs hadern jedenfalls mit dem Urteil. „Wir sind enttäuscht, doch wir stecken den Kopf deswegen nicht in den Sand“, sagt mir der Präsident der Stuttgarter Hells Angels, Lutz Schelhorn, am Telefon. Seit Jahren wehrt er sich gegen die pauschale Diskriminierung der Rocker-Subkultur. In dem Vereinsgesetz sieht er de facto ein Sonderrecht, eine „Lex Rocker“. Nach Auswertung der Urteilsgründe, so Schelhorn, werden die Hells Angels entscheiden, „welche weiteren Schritte wir unternehmen“.