© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Blick in die Medien
Der Anwalt ersetzt die Recherche
Boris T. Kaiser

Radio Bremen verklagt den Journalisten Holger Kreymeier. Der Betreiber des medienkritischen Internetportals Massengeschmack.TV hatte auf seinem Youtube-Kanal die Dokumentation „Infokrieger“ kritisiert.

In der Produktion des Filmemachers Dennis Leiffels wurden gewöhnliche Twitternutzer zu rechten Beeinflussern und „Medien- und Politikprofis“ erklärt, obgleich deren Tätigkeit sich vor allem auf das Retweeten AfD-freundlicher Beiträge an ihre teilweise deutlich unter 2.000 eigenen Follower beschränkte. 

Dieses Ergebnis einer angeblich rund eineinhalbjährigen Recherche, zu der es unter anderem gehörte, die Privatpersonen aufzuspüren und ihnen Hausbesuche abzustatten, veranlaßte Kreymeier zu dem Beitrag, gegen den der Sender nun juristisch vorgehen läßt.

Kreymeier: Leiffels verbreite „Verschwörungstheorie“ einer „rechten Trollarmee“.

Übrigens nicht von der hauseigenen Rechtsabteilung, sondern von einer teuren Berliner Anwaltskanzlei, wie der Gebührenkritiker in seiner öffentlichen Reaktion auf die Klage betont. In dem beanstandeten Video wirft er Leiffels und seinem Team auch vor, nur die rechte Seite für ihr Wirken im Netz zu kritisieren und zudem die völlig unbewiesene „Verschwörungstheorie“ einer zentralgeleiteten „rechten Troll-Armee“ zu verbreiten.

Radio Bremen beruft sich bei seiner Klage offiziell auf das Urheberrecht, da Kreymeier die von ihm kritisierten Stellen des Films auf seinem Kanal zeigte und kommentierte. Der Medienunternehmer sieht das durch das Zitatrecht gedeckt und glaubt, wie er auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT sagt, daß hier der „juristische Holzhammer herausgeholt“ werde, um Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen „im Keim ersticken“. Seine juristische Einschätzung sieht der Moderator auch durch ein früheres Urteil in einem Rechtsstreit mit dem Youtuber Niklas Lotz vor dem Landgericht Köln bekräftigt, das Kreymeier in seiner Rechtsauffassung in wesentlichen Punkten bestätigte.