© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Die Ideologie des Antirassismus
Zukunftsfrage Identität
Dimitrios Kisoudis

Antirassismus ist nicht Gegnerschaft zum Rassismus, sondern eine neue Ideologie mit eigenen Forderungen. Wie sollen wir darauf reagieren? Mit einem Realismus, der wirkliche Unterschiede berücksichtigt. Denn die Massenmigration stellt die heile Gedankenwelt der alten Bundesrepublik grundsätzlich in Frage.

„Nein, es reicht nicht aus, ‘kein Rassist’ zu sein. Wir müssen Antirassisten sein!“ Dies verkündete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 16. Juni im Schloß Bellevue. Zum Gespräch geladen waren afrikanischstämmige Vertreter der sogenannten Zivilgesellschaft, Anlaß war der Tod des Kleinkriminellen George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis. „Antirassismus“, so Steinmeiers päpstliche Forderung an die Bürger, müsse „gelernt, geübt, vor allen Dingen aber gelebt werden.“

Am 21. Juni schrieb der sechsfache Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton auf Instagram: „Ihr seid vielleicht nicht rassistisch in eurem Schweigen, aber wir brauchen euch als ANTI-Rassisten. Das bedeutet, daß ihr euch und andere erziehen müßt.“ Der Sohn einer weißen Britin und eines Schwarzen gab seinen 19 Millionen Anhängern darüber hinaus Anweisungen, wie sie Aktivisten der „Black Lives Matter“-Bewegung (BLM) werden. Hamiltons Rennstall Mercedes sprang auf die Ethno-Kampagne auf und lackierte den Silberpfeil, Symbol deutscher Ingenieurskunst, in Schwarz um.

Das schwarze Dogma dieser Tage geht auf die Kommunistin und Schwarzenrechtlerin Angela Davis zurück. Sie forderte 1979 in Oakland: „In einer rassistischen Gesellschaft genügt es nicht, nicht-rassistisch zu sein, wir müssen Anti-Rassisten sein.“ Was der Bundespräsident implizierte, war also: Deutschland ist rassistisch. Davon schien auch seine Parteifreundin Saskia Esken auszugehen, als sie den deutschen Sicherheitskräften „latenten Rassismus“ unterstellte und die Einrichtung einer Beschwerdestelle zur Meldung von Rassismus und Diskriminierung verlangte.

Obwohl Deutschland offenkundig ein Problem mit Migrantengewalt hat, zwingen sie dem Land eine Rassismus-Debatte auf. Sie importieren die „Rassenfrage“ aus den Vereinigten Staaten, um die illegalen Migranten der letzten Jahre zu Unruhen aufzustacheln. Höchste Zeit für Konservative, den Streit anzunehmen und eigene Antworten auf die ethnische Frage zu finden!

Die Neuen Linken spielen Minderheiten gegen die Mehrheitsgesellschaft aus. Um möglichst viele Menschen in den Konflikt hineinzuziehen, geben sie ihrer Ideologie mehrheitsfähig klingende Namen. Wer ist schon nicht gegen Rassismus und Faschismus? Hinter dem Etikett verbirgt sich allerdings eine Utopie, die mit unserer Wirklichkeit radikal bricht: der Menschheitskommunismus.

Der Konservative beteuert brav, kein Rassist zu sein. Dabei spielt für die linken Meinungsmacher gar keine Rolle, ob er Rassist ist oder Nichtrassist. „Rassismus“ bedeutet heute soviel wie „Unterscheidung zwischen Gruppen von Menschen“. Nach dieser Definition ist jeder Mensch Rassist, der Unterschiede sieht und benennt. Ob zwischen den Gruppen wirkliche Unterschiede bestehen, kommt für postmoderne „Forscher“ gar nicht in Betracht. Für sie ist Rassismus eine Herrschaftspraxis, die von Weißen zur Exklusion nichtweißer Menschen ausgeübt wird.

Die ethnische Mobilisierung ist für die Linksradikalen aber nur Zwischenstufe. Ihr Endziel ist der Menschheitskommunismus, der überhaupt keine Unterschiede mehr kennt. Die Mittel dazu sind in Europa Massenmigration und Meinungstota-litarismus.

Die postmoderne Soziologie hat einen ganzen Forschungszweig ausgebildet, um Weißsein und Rassismus untrennbar zu verknüpfen: die „kritische Weißseinsforschung“. Ihren Vertretern zufolge ist die Perspektive des Weißen grundsätzlich verzerrt durch finstere Machtinteressen. Farbige wurden nicht als solche geboren, sondern erst von Weißen zu solchen gemacht. Als „People of color“ sollen sie nun den Spieß herumdrehen und den alten Herrschaftsdiskurs gegen den Urheber wenden. Antirassismus ist Umkehrung und Persiflage des Rassismus.

Die Mischung aus Revanche und Dialektik ist es, die den Menschheitskommunismus so gefährlich macht. Hegel, der Vater der dialektischen Geschichtsbetrachtung, betrachtete Afrika als ungeschichtlichen Weltteil ohne „Bewegung und Entwicklung“, so wie seine Adepten Marx und Engels später slawische Völker als „geschichtslos“ und nutzlos für die Revolution abtaten.

Im Kampf gegen den Kolonialismus ist die erste Welle der Rezeption von Hegel und Marx verpufft. Der Vordenker des Antikolonialismus Frantz Fanon übernahm zwar Hegels Dialektik von Herr und Knecht, gab ihr aber einen falschen Akzent. Nach Hegel hängt das Bewußtsein des Herrn von der Beziehung zum Knecht ab. In der Anerkennung durch den Knecht findet der Herr Selbstbewußtsein. Fanon setzte im Kampf gegen die Herrschaft des Weißen auf sozialistische Revolution und kontinentalen Befreiungskampf. Auch nach Ende des Kolonialismus verharrt Afrika aber weitgehend in Abhängigkeit zu ethnisch fremden Mächten.

In Europa und in Amerika hingegen entdecken afrikanische Migranten und Afroamerikaner den Diskurs des Antirassismus für sich, der politische Macht verspricht. Das Erfolgsrezept: Um Knechtschaft in Herrschaft umzukehren, ist die ständige Anerkennung durch die herrschende Schicht nötig. Kniefall inklusive. „White guilt“, die weiße Schuld, trifft „Black power“, die schwarze Macht. Die unförmige weiße Antifa trifft muskelbepackte BLM-Milizen. Über Jahrhunderte seien die Schwarzen diskriminiert und unterdrückt worden. Jetzt soll eine Politik der Antidiskriminierung (affirmative action) und der Ermächtigung (empowerment) die Verhältnisse umkehren.

Die ethnische Mobilisierung ist für die Linksradikalen aber nur Zwischenstufe. Ihr Endziel ist der Menschheitskommunismus, der überhaupt keine Unterschiede mehr kennt. Die Mittel dazu sind in Europa noch Massenmigration und Meinungstotalitarismus. Wenn Techniken der Biopolitik zum Tragen kommen, droht die Dynamik vollends zu entgleiten. Die Propaganda für Abtreibung unter Weißen auf linken Demos deutet an, zu welcher Bösartigkeit die Antirassisten und Antifaschisten fähig sind. Es ist daher höchste Zeit, diese Ideologien zu stoppen.

Die Ideologie des Antirassismus ist die linke Antwort auf die Massenmigration aus dem Süden. Sie besagt, daß man diese Migration auf keinen Fall ablehnen oder abwehren dürfe, sondern im Gegenteil annehmen und fördern müsse. Wo die Migration bereits erfolgt ist, sei sie schnellstmöglich in eine neue Normalität zu überführen. Dies geschieht durch Fortpflanzung und Einbürgerung. Das aufdringliche und allgegenwärtige „Nudging“ durch Werbeanzeigen, die schwarze Männer als Werbeträger allein oder gemeinsam mit weißen Frauen zeigen, gehört zur Verwirklichung der antirassistischen Utopie wesentlich dazu.

Dagegen berufen sich die Rechten zumeist auf die Gleichheitsidee des 20. Jahrhunderts, in dem eine relative Homogenität der Bevölkerung in Europa noch gegeben war. Doch bereits in den Dokumenten der Gleichheit war der Keim zum Umsturz der alteuropäischen Ordnung angelegt. In der UN-Menschenrechtscharta heißt es 1948, „jeder einzelne und alle Organe der Gesellschaft“ müßten sich die Menschenrechte „stets gegenwärtig halten und sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung vor diesen Rechten und Freiheiten zu fördern“.

Mit dem Migrationspakt haben die Vereinten Nationen gleichsam ein Menschenrecht auf Migration ausgerufen. In Verbindung mit der Ideenwelt der Schwarzenbewegung stellt dieses Menschenrecht Europa vor eine ernste Herausforderung. 

Gleichheit war schon damals nicht nur Abwehrrecht des Bürgers gegenüber dem Staat, sondern menschheitsreligiöses Gebot für das Verhältnis aller Menschen untereinander. Mit dem Migrationspakt haben die Vereinten Nationen gleichsam ein Menschenrecht auf Migration ausgerufen. In Verbindung mit der Ideenwelt der Schwarzenbewegung stellt dieses Menschenrecht Europa vor eine ernste Herausforderung. Unsere normativen Vorstellungen von Gleichheit werden mit tatsächlicher Ungleichheit des Verhaltens konfrontiert. Anstatt die Realität mit der Norm zu bekämpfen müssen wir in dieser Lage realistisch urteilen, also von den Tatsachen her.

In Amerika hat der Druck linker Ideologen zur Blüte alternativer Forschungszweige geführt. Der Ökonom und Nobelpreisträger George Akerlof entwickelt in seinem Buch über Identitätsökonomie die These, daß ökonomische Entscheidungen stark durch ethnische Zugehörigkeit beeinflußt sind. Andere Forscher untersuchen, inwieweit genetische Nähe solidarisches oder altruistisches Handeln bedingt. Auch die Intelligenzforschung ist zur Reaktion auf linke Gesellschaftsklempnerei zu rechnen. Unnötig zu erwähnen, daß Forscher wie Charles Murray, der die glockenförmige Verteilung der Intelligenz untersuchte und dabei IQ-Unterschiede zwischen Ethnien feststellte, sich regelmäßig mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert sehen.

Die Auswertungen zu den standardmäßigen Studierfähigkeitstests an US-Universitäten zeigen: Antidiskriminierung oder positive Diskriminierung ist weder gerecht noch führt sie zu stabilen Verbesserungen. Sie benachteiligt überdies ethnische Asiaten, die höchste Werte erzielen, aber vergleichsweise seltener aufgenommen werden. Ethnizität ist kein Konstrukt, sondern eine Realität. Eine Studie der Stanforder Genetikerin Hua Tang hat 2005 gezeigt, daß die Selbstidentifikation von über 3.636 Individuen nur in fünf Fällen von der Clusteranalyse genetischer Daten abwich. In 99,9 Prozent der Fälle stimmten Identifikation und genetische Nähe überein.

Die Frage nach dem Zusammenhang von Genetik und Intelligenz bekommt durch die Migrationsbewegungen eine neue Aktualität. Für welche Arbeit eignen sich Migranten langfristig? Was bedeutet Armutsmigration für die arbeitsteilige Industriegesellschaft? Wenn wir falsche Antworten auf diese Fragen akzeptieren, drohen die Auswirkungen verheerend zu sein. Und mit Verfassungspatriotismus oder zivilem Nationalismus ist hier nichts getan, weil es um Unterschiede in Kognition und Verhalten geht, nicht um Treue zur politischen Ordnung.

Die europäischen Völker stehen vor der Entscheidung: Realismus oder Menschheitskommunismus unter Preisgabe von Sicherheit, Wohlstand und Identität. Wer die neueste Revolution nicht will, muß auch nein sagen. Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß wir aus Höflichkeit oder Ängstlichkeit linken Tabus Folge leisten dürften.

Der Menschheitskommunismus ist ebensowenig realisierbar wie der frühere Kommunismus. Aber die Schäden, die er hervorruft, werden noch weniger reversibel sein. Unter dem Druck einer antirassistischen Ideologie reicht es nicht, nicht-rassistisch zu sein. Wir müssen auch Realisten sein.






Dimitrios Kisoudis, Jahrgang 1981, war von 2007 bis 2016 als Regisseur und Autor für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig. Im Anschluß arbeitete er ein Jahr lang für die AfD im Europäischen Parlament. Jetzt ist er Referent für einen AfD-Bundestagsabgeordneten. Auf dem Forum schrieb er zuletzt über das Asylrecht („Wir schaffen das ab“, JF 40/19).

Foto: Reklame: Das aufdringliche und allgegenwärtige „Nudging“ durch Multikulti-Fotomodells gehört zur Verwirklichung der antirassistischen Utopie wesentlich dazu