© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Chile im Griff der „Chicago Boys“: Lockdown stoppte soziale Massenproteste
Die Leute sollen früher aufstehen
(ob)

Chile war in den 1970ern das weltweit erste Versuchsfeld für den wirtschaftlichen Umbau nach dem Muster der von Theoretikern wie Friedrich August von Hayek und Milton Friedman gestrickten neoliberalen Chicagoer Schule. Ein halbes Jahrhundert später, so stellt der Wirtschaftssoziologe Felipe González fest, halten die Adepten der „Chicago Boys“ Chile weiter fest im Griff. Das Land werde von „neoliberalen Ökonomen beherrscht, egal ob Gesundheit oder Bildung, in Chile ist fast alles privatisiert“. Die meisten könnten sich daher weder eine angemessene medizinische Grundversorgung noch gar ein Studium leisten. González, der nach der Promotion in Köln in seine Heimat zurückkehrte, um in Santiago die Max Planck Partner Group for the Study of the Economy and the Public zu leiten, ist seitdem „teilnehmender Beobachter“ des Prozesses rasant zunehmender sozialer Ungleichheit. Im Herbst 2019 habe sich die vorrevolutionäre Wut in Massendemonstrationen gegen die Erhöhung der Metro-Fahrpreise entladen (Max Planck Forschung, 2/2020). Ausgelöst vom zynischen Hinweis eines Ministers, die Leute müßten einfach früher aufstehen, dann seien die Tickets billiger. Der Corona-Lockdown habe die Proteste jedoch beendet. Auch die Volksbefragung über noch fortgeltende Teile der Pinochet-Verfassung, die die Privatisierung legitimierten, ist auf Oktober 2020 verschoben.


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