© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/20 / 21. August 2020

Leserbriefe

Zum Schwerpunktthema: „‘Viele Bürger ziehen sich zurück’“, JF 34/20

Totalitäres Indiz: Isolierung

Wie Hans-Georg Maaßen im JF-Interview zu Recht bemerkt, hat die politische Gegenwart „schon etwas Totalitäres“. Die soziale Isolierung ist typisch für totalitäre Systeme. Eine erschreckende Form von Meinungsterror zeigt beispielhaft der Aufruf gegen die Großdemonstration gegen Maskenpflicht und Abstandsregeln in Hamburg. Dort warnt die Kammer die Ärzte vor der Teilnahme an der Demonstration. Sollten, so der Bericht in der Ärztezeitung, Ärzte unter den Teilnehmern sein, wolle man prüfen, ob diese gegen die Berufsordnung verstoßen. Dagegen hilft wohl nur der – im Internet abrufbare – Kommentar „Fehldeutung Virus II“ des Virologen Stefan Lanka.

Herbert Gaiser, München






Zu: „Der rationale Kern“ von Thorsten Hinz, JF 34/20

Panik-Orchester ohne Lindenberg

Was bezüglich „Corona“ zu tun oder zu lassen ist, wird auch deutlich bei den Demos im Land gegen die Beschränkungen. Da jetzt vermehrt getestet wird, steigen natürlich die Zahlen, wobei die, gemessen an der Gesamtbevölkerung, immer noch im Promillebereich liegen und damit für ganz Deutschland völlig unproblematisch sind. Daß hier neue Zwangsmaßnahmen ins Spiel gebracht werden, ist völlig überzogen. Sogar ein möglicher zweiter „Lockdown“ wird in Erwägung gezogen. Soll dieser gar herbeigeredet und -geschrieben werden, durch die weiter anhaltende „Pflege“ von Hysterie und Panik? Ich halte das für völlig überzogen und für unverantwortlich. Im Jahr 2017/18 sind circa 25.000 Menschen an der Grippe gestorben. Außer den Angehörigen hat das niemand interessiert. Jetzt haben wir etwa 9.000 „Corona-Tote“. Viel dramatischer werden die Spätfolgen für uns sein, davor sollten wir uns fürchten, denn die Wirtschaft ist nachhaltig geschädigt. Firmenpleiten werden auf uns zukommen und in deren Gefolge gestiegene Arbeitslosigkeit. Manche Bürger werden Hab und Gut verlieren, und nicht auszuschließen ist, daß unser Finanzsystem kollabiert. Diese Panik-„Pandemie“ sollten wir fürchten.

Horst Niehues, Sulz am Neckar




Freiheitlicher Geist von 1989

Am 1. August 2020 nahm ich selbst an der Demo „Tag der Freiheit – das Ende der Pandemie“ teil. Das erste, was mir bei dieser Aufklärungs-, Erwachens- und Widerstandsdemo in den Sinn kam, nachdem ich den befreienden Geist dieser epochal historischen Demo selbst miterlebt und begriffen habe, der ausnahmslos alle Menschen, egal welcher politischen oder weltanschaulichen Ausrichtung, egal ob jung oder alt, erfaßte und in der Sache einte, war der freiheitliche Geist vom November 1989 – ein Befreiungsschlag, umhüllt von einer unbeschreiblich friedlichen Aura, die eine Kraft in jedem Teilnehmer entfaltete.

Torsten Zantow, Berlin






Zu: „Sozial geächtet“ von Boris Reitschuster, JF 34/20

Fünfprozentklausel reicht aus

Der absolutistische Mainstream geht nicht aus der Breite der Gesellschaft, schon gar nicht aus deren Mitte, hervor, sondern ist durch selbstherrliche Politiker ins Leben gerufen, die für sich die Deutungshoheit beanspruchen. Beobachtet man die jungen Familien, erkennt man, daß es ihnen nur um ihr privates Glück geht und daß sie vom Staat nur erwarten, daß er dieses ihr privates Glück schützt. Alles moralische Gedöns ist ihnen ziemlich gleichgültig. Wenn sie letzterem dennoch zustimmen, dann ist das nur das Ergebnis ständiger Berieselung oder jedenfalls die Überlegung, daß die Einhaltung moralischer Regeln auch zu ihrem Schutz dient. Die Politiker überspannen jedoch die moralische Komponente ihrer Politik weit über das durch den Zweck des sozialen Friedens gebotene Maß hinaus. Das Ergebnis ist in der Tat eine Unfreiheit in der Gesellschaft, die sich nicht nur auf die Meinungsfreiheit bezieht, sondern auch auf die geforderten Verhaltensweisen. Sie wird zwar von den bereits zur Linientreue Erzogenen oder auch den am öffentlichen Geschehen insoweit Uninteressierten nicht gespürt. Sie wird aber von vielen als Unterdrückung empfunden. Dazu braucht es staatlicherseits in der Tat nicht Gefängnis und Hinrichtung. Es genügt die gesellschaftliche Diffamierung (siehe Maaßen-Interview auf nachfolgender Seite: „Das hat schon etwas Totalitäres“) mit der Folge sozialer und wirtschaftlicher Ächtung. Das ist schon eine Sanktion von existentieller Bedeutung. Hinzu kommt, daß den Abweichlern politischer Einfluß verwehrt wird, etwa durch verweigerte Koalitionsbereitschaft. Diese Einschränkung des politischen Meinungsspektrums, die angeblich die Demokratie schützt, schlägt so leicht in das Gegenteil um. Der Ausschluß von Splitterparteien durch die Fünfprozentklausel sollte reichen, jedenfalls in einer geläuterten rationalen Demokratie. Diese Lehre sollten wir aus der unseligen Vergangenheit ziehen.

Dr. Harald Kallmeyer, Berlin






Zu: „Die Demographie verschiebt sich weiter“ von Björn Harms, JF 34/20

Wenn die Lage eskaliert

Als Analytiker politisch-medialer Prozesse interessierte mich nach den gewalttätigen Angriffen Hunderter junger Männer auf die Polizei und den Frieden der Stadt Stuttgart besonders, welche Verrenkungen die politisch-medialen Eliten in Kooperation mit den „Qualitätsmedien“ diesmal machen würden, um die wahren Täter zu verschleiern. Im Radio hörte ich, daß sich die „Auseinandersetzungen“ an einer Drogenkontrolle „entzündet“ hätten. Nicht aggressive Gewalttäter gingen also auf die Polizei los. Nein, da hat sich etwas entzündet. Gerne melden „Qualitätsmedien“ in solchen Fällen auch, die Lage sei „eskaliert“. Aha: die Lage. Stuttgart reiht sich ein in Dutzende von Gewaltorgien, wie sie in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln und anderen Städten „gefeiert“ wurden. Auch jene Nacht war nicht der Auftakt, sondern eine Fortsetzung. Gut erkennbare Tätergruppen werden geschützt, indem der Verdacht raunend ins Uferlose wabert. So auch in Stuttgart: „Partyszene“ heißt eines der Nebelwörter. Ach, alles wäre so einfach, wären die Täter helle Männer aus Dunkeldeutschland. Stattdessen sind es dunkle Männer von irgendwo im Bündnis mit linksextremistischen Haßtätern. Geradezu putzig Stuttgarts Oberbürgermeister Kuhns Versuch, seine eigenen Erkenntnisse zu verdrängen, wenn er sagt: „Ich bin schockiert, daß so etwas in einer liberalen Stadt wie Stuttgart passieren konnte.“ Als ob Hunderte ansonsten liberaler Bürger über Nacht den Verstand verloren hätten, um auf Polizei, Autos und Läden loszugehen. Nein, hier gehen Leute auf die deutsche Gesellschaft los, die nicht zu ihr gehören – weil sie nicht zu ihr gehören wollen! Welchen Paß (welche Pässe) sie tragen, spielt dabei keine Rolle. Gut vernehmbar waren zahlreiche Rufe zu hören: „Fuck the police!“ „Fuck the system!“ und „Allahu akbar!“ 

Den geschmähten Polizeikräften wird ein weiterer Tort angetan, wenn offiziell erklärt wird, daß die Ausschreitungen gegen sie keine politischen waren. Kann man seinen Sicherheitskräften unverblümter sagen, daß ein Angriff auf sie kein Politikum ist? Es kann gut sein, daß die Partygänger nach der Stuttgarter „Party“ sich innere Verletzungen zugezogen haben, da sie sich vor Lachen das Zwerchfell brachen, als ihnen die Drohung zu Ohren kam, man werde sie mit der ganzen Härte des Rechtsstaats verfolgen.

Prof. Dr. Hans-Peter Schwöbel, Mannheim






Zu: „‘Die Polizei muß viel mehr Stärke zeigen’“ von Hinrich Rohbohm, JF 34/20

Ungeschützte Schutzmänner

Wie soll eine Polizei die innere Sicherheit der Bürger garantieren, die sich selber nicht schützen kann?

Eberhard Koenig, Baiern




Unbewußt konditioniert

„Polizisten ermahnen dort, wo sie leichtes Spiel haben“ – diese Zwischenüberschrift sticht heraus, sie trifft einen Nerv.Auch wenn mich diese Aussage als ehemaliger Schutzmann beschämt, muß ich dieser Beobachtung leider teilweise zustimmen. In meiner Zeit auf der Straße – ich diente in zweien der von Ihnen genannten Großstädte (Seite 6) – erlebte ich neben Mut und Idealismus leider auch Opportunismus und persönliche Bequemlichkeit: Kollegen, die beim Normalbürger (der eh meist versucht, alles richtig zu machen), den Harten mimen, bei echten „Kapazitäten“ aber nicht ganz so hart sind. 

Es gibt Kollegen, die ihre eigene Widersprüchlichkeit gar nicht erkennen, da der Dienstalltag sie unbewußt konditioniert hat. Bei wem darf ich mich noch als Instanz und Ordnungsmacht fühlen? Die meisten jungen Kollegen sind guten Willens und voller Ideale. Mit der Zeit entwickeln sie aber ein Gespür dafür, woher der Wind weht, was opportun ist, womit sie punkten können – und womit nicht. Neben all dem persönlichen Mut, der Durchsetzungsfähigkeit und psychischen Stabilität, die es erfordert, sich in den Straßen einer heutigen deutschen Großstadt zu behaupten, ist man Teil des Systems Polizei. Dieses System formt dich. Ich erinnere mich noch gut, daß ich nach zwei zeitlich nah beieinander liegenden Widerständen (die gewaltsame Widersetzung gegen eine Amtshandlung) von meinem Revierführer gefragt wurde, ob es nicht an mir liegen könnte … Wie macht man danach weiter? Es ist letztlich eine Frage des Charakters.

Manuel Schmitt, Polizeikommissar a. D., Münster




Zu hoher Einheitspreis

Was ist nur aus (West-)Deutschland geworden, wenn schon eine Ghanaerin sagt, „inzwischen fühle ich mich in Ghana sicherer als in Deutschland“? Es ist anzunehmen, daß die Politik diese Zustände weiter billigt. Aber was läßt sich tun, damit Ostdeutschland, seine wunderbaren Städte, wie Dresden, Leipzig, Rostock, Chemnitz, Erfurt u.a. nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie im Artikel berichtet? Dieser Preis der Einheit ist zu hoch, ein solches gesellschaftlich heruntergekommenes Land wollten die Ostdeutschen nicht haben. Vielleicht wäre eine autonome Selbstverwaltung eine mögliche Lösung?

Michael Sieber, Limbach-Oberfrohna






Zu: „Cheers für den ‘dirty old man’“ von Matthias Matussek, JF 34/20

Mit Bukowski in die Freiheit

Wer immer noch nach guten Gründen für ein Abo der JUNGEN FREIHEIT sucht, der hat einen in dieser jüngsten JF-Ausgabe gefunden: Matthias Matusseks Erinnerungen an Charles Bukowski. Daß die JF an „Hank“ erinnert, ist ein echter Wumms für jeden kritischen Geist in diesen postmodernen Verblödungszeiten. Herzlichen Dank!

Holger Gensicke, Landesbergen






Zu: „Identitäten im Sturm“ von Elvira Sellin, JF 34/20

Bestechende Logik

Der Artikel von Elvira Sellin ist pures Gold, jeder Satz trifft ins Schwarze, jeder Gedanke ist von bestechender Logik!

Jörg Winner, Dortmund






Zu: „Der Gläubiger ist inzwischen der Dumme“ von Erich Weede, JF 33/20

Milchmädchenrechnungen

Wie gut, daß Sie sich nochmal dieses Themas annehmen! Zu Recht nannte bereits Klaus-Peter Willsch („Zu Lasten unserer Kinder“, JF 24/20) es einen historischen Dammbruch, da Ursula von der Leyen – um die Auswirkungen der Corona-Krise zu bändigen – die EU mit 750 Milliarden Euro verschulden will, die dann von 2028 bis 2058 durch die EU-Staaten an Brüssel zurückgezahlt werden sollen, also 30 mal 25 Milliarden. Diese Milchmädchenrechnung setzt voraus, daß uns Europäern von Stund’ an eine 38jährige Glückssträhne ohne jegliche Krisen und Katastrophen ins Haus steht. Solcher Kinderglaube wiederum ist nur ein kleiner Bestandteil des großen politisch-korrekten Irrglaubens, daß immer mehr Menschen immer mehr produzieren und konsumieren können, wobei sie selbstverständlich immer friedlicher zusammenleben werden, natürlich im herrschaftsfreien Diskurs des Herrn Habermas (siehe die hierzu passende JF-Titelseite!). 

Wir erleben einen Kontinent im Exzeß. Die hemmungslose Staatsverschuldungspolitik der Mittelmeerstaaten, ihre Mentalität des „Leben ist jetzt!“ und „Nach uns die Sintflut!“ dominiert nach dem Brexit endgültig die gesamte EU. Es scheint keinen Halt mehr zu geben auf der schiefen Bahn. So muß man wahrlich kein Prophet sein, um mit Gewißheit vorhersagen zu können, daß noch bevor im Jahre 2028 auch nur der allererste der 750 Milliarden Von-der-Leyen-Euros nach Brüssel zurückgeflossen sein wird, die EU – getrieben von immer neuen Krisen – mittels immer weiterer Zig-Milliarden-Schulden immer weitere Scheinlösungen schaffen wird, um auch weiterhin erfolgreich die wirklichen Probleme Europas zu verdrängen und zu verschleiern.

Dr. Thomas Grüning, Stadtroda