© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Es trifft die Falschen
Neues Waffengesetz: Statt Terroristen werden gesetztestreue Bürger drangsaliert
Werner Schulz

Charlie Hebdo – diese Worte stehen für eine französische Satirezeitschrift und einen furchtbaren, menschenverachtenden Terroranschlag, ausgeübt von islamischen Terroristen am 7. Januar 2015 in Paris. Zwei maskierte Täter drangen mit illegal geschmuggelten Kriegswaffen in die Redaktionsräume der Zeitschrift ein, töteten elf Personen, verletzten mehrere Anwesende und brachten auf ihrer Flucht einen Polizisten um. Dieses Massaker bildet den Ausgangspunkt für das jetzt in Kraft tretende 3. Waffenrechtsänderungsgesetz.


Denn kurz nach der Tat zauberte der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker blitzschnell eine perfekt ausformulierte Liste mit Verschärfungsforderungen zum Waffenrecht aus dem Hut, daß sich der Eindruck aufdrängte, er hätte mit dieser scheinbar längst fertigen Erklärung nur auf einen passenden Anlaß zur Veröffentlichung gewartet. Das ist nicht unwahrscheinlich, verfolgt man bei der EU-Kommission doch schon seit mindestens 2013 den sogenannten Aktionsplan gegen Feuerwaffen.

Mit einer Forderung zu massiven Waffenrechtsverschärfungen an die internationale Presse zu gehen, die nur gesetzestreue Sportschützen und Waffensammler treffen, nicht aber islamische Terroristen, die sich mit ihren ohnehin in jedem EU-Land verbotenen Granaten und Sturmgewehren durch die Redaktionsstuben schossen, wirkt widersinnig. Solche Täter sind nicht durch ein Waffengesetz zu stoppen, kennen es auch gar nicht.


Daher keimte auch rasch der Verdacht auf, daß Juncker die Aufmerksamkeit auf eine leicht zu definierende, völlig harmlose heimische Bevölkerungsgruppe und eine Diskussion um das Waffengesetz richten wollte, um die öffentliche Aufmerksamkeit von den eigentlichen Ursachen – auch verantwortet von Politikern wie ihm – abzulenken, der Diskussion um die illegale Migration islamischer Menschenmassen nach Europa mit allen in Wahrheit unlösbaren Folgeprobemen. Die Entwicklungen der folgenden zwei Jahre stützen diese Vermutung. Tatsächlich war die Diskussion um die neue EU-Waffenrichtlinie als Vorlage für die nationalen Waffengesetzgeber Dauerthema. Über das dem Massaker zugrundeliegende Grundproblem ging die Presse bald wieder hinweg.

Daß in Politikerkreisen einmal mehr das Waffengesetz zu einem wichtigen Baustein der Terrorbekämpfung erklärt wurde, ist durch kriminologische Fakten nicht zu begründen. Zur Erinnerung: Das deutsche Waffengesetz ist schon seit Jahrzehnten eines der restriktivsten der Welt. Bis ein Bürger legal eine Feuerwaffe erwerben und besitzen darf, hat er sehr hohe gesetzliche Hürden zu überwinden. Daß der legale Waffenbesitz in Deutschland eine kaum wahrnehmbare Rolle am Kriminalitätsgeschehen spielt, beweist seit Jahrzehnten die jährlich erstellte Kriminalitätsstatistik sowie das Bundeslagebild Waffenkriminalität, erarbeitet jeweils vom Bundeskriminalamt.


Doch die dort dokumentierten Erkenntnisse spielten auch bei der Formulierung des jüngsten Waffengesetzes keine Rolle. Der gesetzgeberische Weg verlief demnach von Charlie Hebdo, über die EU-Kommission und das EU-Parlament zum Deutschen Bundestag, wo das neue Waffengesetz mit der offiziellen Bezeichnung „3. WaffRÄndG“ beschlossen wurde und jetzt in Kraft tritt.

Schützen, Jäger und Waffensammler können zwar zufrieden sein, daß sich die EU-Kommission mit ihren Verschärfungsforderungen nicht in vollem Umfang durchsetzen konnte und im EU-Parlament tatsächlich Pragmatiker die Oberhand behielten und eine entschärfte EU-Waffenrichtline als Vorlage für die nationalen Waffengesetze auf den Weg brachten. Dennoch bringt auch dieses neue, an der EU-Richtlinie ausgerichtete Waffengesetz eine Liste weiterer Erschwernisse für die legal Waffen besitzenden deutschen Bürger mit sich.
Mag die eine oder andere Änderung weniger schmerzen, wirkt eine ganz bestimmte Verschärfung eher schockierend für einen Rechtsstaat: Danach ist jetzt jeder legal Waffen besitzende Bürger mittels Regelabfrage beim Verfassungsschutz zu überprüfen. Der Geheimdienst erhält Einzug in die Amtsstuben der Polizei. Er entscheidet ohne wirksame richterliche Kontrolle, ob jemand eine waffenrechtliche Erlaubnis erhält. Auch an anderen Stellen enthält der Beschluß unnötige Erweiterungen, die vor allem ein Mißtrauen gegen die gesetzestreuen Schützen und Jäger ausdrücken, ja sie regelrecht als potentiell grundgesetzfeindlich diffamiert.


Der beim Thema Waffenrecht weitgehend unkundigen Öffentlichkeit soll also eine Verschärfung präsentiert werden – ohne zu kommunizieren, daß auch diese weder gegen islamischen noch sonstigen Terrorismus schützen wird und auch keinen Einfluß auf die Gewaltkriminalität allgemein nimmt. Das Gesetz verfolgt zwar hehre Ziele, trifft aber letztendlich nur den harmlosen Bürger. Wieder einmal werden es nur die Gesetzestreuesten der Gesetzestreuen, die Sportschützen, Waffensammler und Jäger befolgen. Religiös motivierte Killerkommandos oder die Clan-Chefs in den sich entwickelnden Parallelgesellschaften unserer Großstädte interessiert der Beschluß wohl kaum.

Damit reiht sich das Gesetz in alle Waffengesetznovellierungen der vergangenen 50 Jahre ein, die letztendlich von mörderischem Terror oder Wahnsinnstaten Einzelner initiiert wurden, kein kriminologisches Problem lösten, stattdessen aber Schützen als unschuldige Sündenböcke vorführten.


Werner Schulz ist Herausgeber und Chefredakteur des Deutschen Waffen-Journals www.dwj.de