© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Der Unmut steigt
Zwischen Bosnien und Herzegowina und Kroatien: Corona vernebelt den Blick auf das Migrationsgeschehen im Balkan
Filip Gaspar


Am 20. August hat die deutsche Bundesregierung Teile Kroatiens als Corona-Risikogebiete eingestuft. Derweil geraten andere Probleme auf dem Westbalkan aus dem Fokus. Auf der Balkan-Migrationsroute läuft sonst alles wie gewohnt ab. Bloß, daß sich diese nach der Schließung der ungarischen Grenze im März 2020 Richtung Bosnien und Herzegowina verlagert hat.

Besonders betroffen sind abermals (JF 47/19) die beiden bosnischen (BiH) Städte Velika Kladuša und Bihac im Kanton Una Sana, der an Kroatien grenzt. Die Gesamtanzahl der sich in BiH illegal aufhaltenden Migranten schwankt offiziell um 9.000.
Allerdings halten sich allein im genannten Kanton über 7.000 Migranten auf – nur knapp die Hälfte davon in offiziellen, mit EU-Geldern eingerichteten Lagern. Die meisten stammen aus Ländern wie Afghanistan, Pakistan, Bangladesch oder dem Iran und sinnen danach, in die EU zu gelangen. Kroatien soll nicht nur die Staats-, sondern zugleich auch die Unionsaußengrenze verteidigen. Um in den Schengenraum aufgenommen werden zu können, muß es dies auch unter Beweis stellen. Menschenrechtsorganisationen beschuldigen die kroatische Polizei, illegal nach Kroatien Eingereiste wieder zurück nach Bosnien zu schicken und dabei Gewalt anzuwenden. Von „push back“ ist die Rede. Das kroatische Innenministerium weist jegliche Vorwürfe zurück.

Seit April sind Migranten in Bosnien verpflichtet, sich in das neu eingerichtete Lager „Lipa“ bei Bihac zu begeben. Aufgrund der Entfernung zur kroatischen Grenze und der geringen Kapazitäten verweigern viele dies.
Stattdessen errichten sie in Velika Kladuša improvisierte Zeltlager und hinterlassen Berge von Müll. Anfangs war die Hilfsbereitschaft bei den Bewohnern dieser Städte groß. Doch die Stimmung kippt täglich ein wenig mehr, seit es vermehrt zu Einbrüchen, Diebstählen und Angriffen seitens der Migranten gekommen ist.

Frauen berichten, daß sie sich im Dunkeln nicht mehr alleine aus dem Haus trauen, und Eltern wollen ihre Kinder nicht mehr unbeaufsichtigt auf den Spielplatz lassen. In Bosnien gelten ähnlich laxe Corona-Auflagen wie in Deutschland. Einheimische beklagen jedoch, daß Migranten sich weder an Hygiene- noch Abstandsvorschriften hielten und in größeren Gruppen unterwegs seien. Die ersten Fälle von Covid-19 tun ihr Übriges, um die Abneigung unter der ansässigen Bevölkerung wachsen zu lassen.
Eine eigens errichtete Bürgerwehr fing in Velika Kladuša ankommende Busse voller Migranten ab und verweigerte diesen die Weiterfahrt. Die bosnische Polizei verhinderte Gewalt durch die Bürgerwehr, hielt sich sonst aber zurück, denn die Stimmung in der Bevölkerung ist mehr als angespannt. Diese Busse kommen aus der Hauptstadt Sarajevo oder aus dem serbischen Teil, der Republika Srpska, einem Teilstaat BiHs. Milorad Dodik, Präsident von Srpska, betont, daß er keine Migranten auf seinem Territorium dulden werde und die Busse kostenfrei zur Verfügung stelle. Von der Zentralregierung in Sarajevo fühlt man sich im Kanton Una Sana im Stich gelassen. Doch die Aktion der Bürgerwehr trug Früchte, veranlaßte sie schließlich die lokalen Behörden, weitere Transporte von Migranten in den Kanton zu stoppen. Demnach haben die Bewohner von Bihac für den 29. August eine Demonstration angemeldet. Ihre Forderung: Migranten weg von der Straße.
Islamophobie geht hier als Vorwurf fehl, da ein Großteil der Bewohner selbst Muslime sind. Es ist zweifelhaft, ob die bosnischen Behörden die Situation unter Kontrolle bekommen werden.