© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/20 / 28. August 2020

Frisch gepresst

Welterklärung. Wenn hiesige Philosophieprofessoren, sozialisiert im Windschatten großer Politik, sich als Welterklärer versuchen, entsteht zumeist nichts Gescheites. Das liest sich dann so wie Vittorio Hösles vollmundig eine „geschichtsphilosophische Kartierung der Gegenwart“ versprechender, mit einem Vorwort des Ex-Bundespräsidenten Horst Köhler geadelter Rundumschlag gegen Rechtspopulisten, Donald Trump und das perfide Brexit-Albion. Aus diesen Phänomenen leitet Hösle messerscharf ab, daß sich der Westen in der Krise befindet. Das liegt für den seit langem in den USA lehrenden Platoniker und Hegelianer aber nicht am Versagen europäischer Eliten, sondern an einem ominösen „Wertvakuum“. Aber der umtriebige Hösle, der sich in der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften politisch genauso engagiert wie im eher dadaistischen „Komitee für eine Demokratische Uno“, weiß Rat. Die Menschheit sollte sich einfach an der von ihm gestifteten „rationalen Universalreligion“ ausrichten. Und Europa müsse sich unter deutsch-französischer Ägide in einen Bundesstaat verwandeln. Dessen Stabilität sei garantiert, sofern seine Chefetagen ausschließlich nach dem Leistungsprinzip besetzt würden. (wm)

Vittorio Hösle: Globale Fliehkräfte. Eine geschichtsphilosophische Kartierung der Gegenwart. Verlag Karl Alber, Freiburg 2019, gebunden, 224 Seiten, 24 Euro



Schwermetall. Seit seinem Entstehen in den 1970er Jahren hat die Musikrichtung Heavy Metal viele stilistische Wandlungen erfahren. Diesen Prozessen spürt der Züricher Kunsthistoriker Jörg Scheller nach. Dabei erweist er sich nicht nur als Fan, sondern als wahrer Fachmann. Sein Werk bietet keine Nacherzählung der vergangenen Jahrzehnte des Genres, sondern er versucht sich an einer Interpretation der Musik und ihrer Bedeutung über die Subkultur hinaus. Zwar sind seine soziologischen Annäherungen an die Materie interessant, störend ist allerdings die einseitig linke Perspektive, aus der die Themen Politik, Religion und „Gender“ im Metal behandelt werden. Erfreulicherweise beinhaltet das Buch auch Widerspruch zu Schellers Deutungen, wie sie beispielsweise die Sängerin der deutschen Thrash-Metal-Band Holy Moses, Sabina Classen, äußert. Musikwissenschaftliche Analysen einzelner Stücke runden die ungewöhnliche Annäherung an das Thema ab. (ag)

Jörg Scheller:  Metalmorphosen. Die unwahrscheinlichen Wandlungen des Heavy Metal, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020, 286 Seiten, gebunden, 24 Euro